- Widmung der symphonischen Dichtung "Tapiola" -

Da dehnen sich des Westlands Wälder, uralt, geheimnisvoll in wilden Träumen, Waldgeister weben in dem Dunkel.

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Samstag, 27. März 2010

Shogun (8/10)

Die Vision eines feudalen Hochglanzjapans

Gerne, in nostalgischen Gefühlen schwelgend, erinnere ich mich an diese aufwendig produzierte Miniserie. Ein Höhepunkt der Fernsehunterhaltung der achtziger Jahre.
Voller Faszination verfolgte ich als Kind die Abenteuer des John Blackthorne (Richard Chamberlain), dem englischen Navigator einer holländischen Flotte. Bangte mit ihm bei seinem Schiffbruch an fernöstlicher Küste, tauchte an seiner Seite ein in eine fremde Kultur, begeistert von seinem Aufstieg vom rechtlosen Gefangenen, verrottend in einer Erdgrube, zum Samurai und Admiral der Flotte des Daimyo Toranaga (nach dem historischen Vorbild Tokugawa Ieyasu).

Die Handlung der aufwendig produzierten TV-Serie spielt zu einer Zeit des Umbruchs. Die rivalisierenden europäischen Seemächte schicken sich an die Welt endgültig unter sich aufzuteilen, Jesuiten und Spanier sondieren die Möglichkeit auch Japan unter ihre Kontrolle zu bekommen. Doch hier treffen sie auf eine Hochkultur die ihnen ebenbürtig, ja in manchen Belangen sogar überlegen scheint.
Kurz nach dem Tode des Taiko (historisch Toyotomi Hideyoshi) droht das durch Militärdiktatur geeinte Inselreich wider in Chaos zu versinken. Der junge Erbe des Taiko hat soviel Chancen die Herrschaft des Vaters zu übernehmen, wie ein Schneeball die Glut eines Schmelzofens übersteht (Jahre später wird er und seine Mutter vom Shogun zum Selbstmord gezwungen), denn Toranaga, der Herr von Edo dem späteren Tokio, strebt nach der absoluten Macht, möchte vom Tenno zum Shogun (Diktator) ganz Japans erhoben werden. Dafür sind ihm alle Mittel recht, doch noch bewart er den Schein und gibt vor die Erbfolge zu akzeptieren. In diesen Hexenkessel aus Intrigen und Verrat strandet der von persönlichem Ehrgeiz und Erfolgsgier getriebene John Blackthorne.
Und über allen Köpfen schwebt das Damoklesschwert des Bürgerkrieges.

Einige der handelnden Personen gehen auf reale historische Persönlichkeiten zurück, selbst von einem Engländer (historisch William Adams) in den Diensten des echten "Toranagas" (historisch Tokugawa Ieyasu) wird berichtet. Mit den geschichtlichen Fakten nimmt es die Serie aber ansonsten nicht unbedingt genau. So ist der historische Fürst Ieyasu vor allem skrupelloser Machtpolitiker, der ohne Rücksicht auf das Leben anderer seine eigenen dynastischen Ziele verfolgte (die rein positive Überhöhung seiner Person entspricht aber durchaus der japanischen Sicht auf diese Epoche). Die herrschaftliche Ausstrahlung des Tokugawa-Fürsten wird übrigens perfekt durch den unvergessenen Altmeister Toshiro Mifune verkörpert.
Die Einführung der Feuerwaffen in die japanische Kriegsführung erfolgte auch nicht erst durch Blackthorne, sondern geschah schon gut ein halbes Jahrhundert zuvor. Und für historische Puristen ließen sich hier noch zahllose weitere Ungereimtheiten aufzählen.

Als Kind war ich zunächst von der Darstellung japanischer Samuraikultur geblendet. Erst viel später, bei näherer und kritischerer Betrachtung erkannte ich, dass das hier gezeichnete Bild deutlich idealisiert ist und oftmals weit an der wenig ästhetischen Realität vorbei geht. Zwar wird am Rande auch auf die negativen Seiten einer streng hierarchisch organisierten Gesellschaft aufmerksam gemacht, auf den Todeskult, die Wertlosigkeit des Lebens des einzelnen (bei jeder Form des Gesichtsverlust scheint nur einen Ausweg zu geben, Sepukku, rituellen Selbstmord), doch die Darstellung erfolgt doch eher auf eine ästhetisch überhöhende Weise, womit die Serie mitunter Haarscharf an der Verherrlichung dieser blutigen Rituale vorbeischrammt. Das der zum Großteil erst viel später entwickelte Ehrenkodex des Samurai eher ein unerreichtes ritterliches Ideal blieb (dass vielmehr Feigheit, Lüge und Verrat auch unter Samurais alltägliche Dinge und keine Ausnahme waren) wird hier weitgehend unterschlagen.

Zu dem Zeitpunkt während der die Serie spielt erholte sich Japan immer noch von jahrhundertelangen Bürgerkriegen, die erst Oda Nobunaga (der Vorgänger des Taiko) rund 30 Jahre zuvor blutig beendet hatte. Die japanische Samuraikultur war damals vor allem eine Kultur des Krieges, der Gewalt, und hatte zumindest für das einfache Volk nichts mit der geleckten Reinheit der Teezeremonie zu tun (die zudem erst durch den Teemeister des Taiko Sen no Rikyu in heutiger Form entwickelt wurde). Hunger und Elend, Willkür feudaler Herrschaft, bestimmten den Alltag der Bevölkerung. Erst in den kommenden Jahrhunderten der erzwungenen Einheit (und Isolation) erholte sich die japanische Kultur und erreichte den von dieser Fernsehserie zelebrierten Standard.

Obwohl die Welt des Japans um 1600 stark idealisiert dargestellt und es mit historischer Wahrheit nicht unbedingt genau genommen wird, ist "Shogun" ein bunter Bilderbogen der japanischen Feudalkultur, so wie sie die Japaner wohl selbst am liebsten verklären würden.
(Viele der "Fehler" der TV-Produktion sind aber schon der Romanvorlage Clavells anzulasten.)
Die spannende Entwicklung der großteils fiktiven Handlung, das muntere Intrigenspiel, fantastische Schauplätze, die für eine Fernsehserie der frühen 80er unglaublich aufwendige Ausstattung und Kostüme machen die ca. 9-stündige Serie zu einem Höhepunkt der Fernsehunterhaltung. Allein der herrlich arrogant majestätische Auftritt Mifunes als das Idealbild des Daimyo schlechthin, macht "Shogun" zu einem Erlebnis. Solide bis herausragende Darstellungen der übrigen Besetzung runden das Bild positiv ab (Shimada Yoko, John Rhys-Davies, Frankie Sakai, ...). Der an Samuraikultur interessierte Zuschauer sollte aber nicht die rosa Brille vergessen, mit der hier diese bewegte Epoche in Japans Geschichte eingefangen wurde.

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