- Widmung der symphonischen Dichtung "Tapiola" -

Da dehnen sich des Westlands Wälder, uralt, geheimnisvoll in wilden Träumen, Waldgeister weben in dem Dunkel.

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Donnerstag, 14. Oktober 2010

EUREKA SEVEN – Eine Science-Fiction-Romance-Action-Drama-Serie (9/10)




Die ersten 5 bis 10 Folgen dieser Serie dachte ich noch, es handele sich um einen dieser zahlreichen austauschbaren Evangelion/Gundam Klone, ein typisches Coming-of-Age-Drama, die das Genre des Shōnen-Anime eine Zeit lang überschwemmten. Und dies nicht ohne Grund, denn EUREKA SEVEN besitzt alle typischen Merkmale der genannten Vorbilder. Ein jugendlicher Held, ein unnahbares rätselhaftes Mädchen, große sich transformierende Kampf-Roboter, die sich als lebendig herausstellen, mysteriöse schier unbesiegbare Feinde. Ein müdes Gähnen bemächtigte sich schon meines Gesichts. Die Rahmenhandlung und das Design der Serie des Anime-Studios BONES bedienen sich zwar durchaus geschickt aus dem Fundus früherer Genre-Klasiker und es gelingt EUREKA den altbekannten Mustern ganz neue Akzente abzugewinnen. Etwa in der Etablierung eines lebendigen weltumspannenden Organismus, den korallenartigen Coralians oder den dynamischen, eine interessante Surf-Akrobatik bietenden Luftkämpfen. Und dennoch, dies allein würde EUREKA SEVEN nicht über das Mittelmaß hinaus heben.

Holland und Talho
Ich wollte die Serie also schon innerlich abhaken, 50 Folgen altbekannter Genremuster, bedeuten einfach zuviel verlorene Lebenszeit. Doch dann, ehe ich es ganz begriff, geschah etwas seltsames und ein Funken Interesse loderte auf, wuchs schleichend zu einem Feuer heran und ich begann mich am Schicksal der Charaktere zu berauschen, ihrer Wut, ihrem Stolz, ihrem Mut, ihrer Angst, ihrer inneren Verletzlichkeit und Verzweiflung, ihrem Hunger nach Liebe und ich wollte, nein, musste wissen welchen Weg ihr weiteres Schicksal einschlagen würde.  

Renton beim Luft-Surfen
Es ist also nicht die auf den ersten Blick dem Anime-Klischee entsprechende Grundkonstellation der Serie, die EUREKA SEVEN zu etwas besonderem macht, sondern die Entwicklung der Charaktere, namentlich der beiden Hauptfiguren Eureka und Renton. Sie bilden das Herzstück der ganzen Handlung, um die sich weitere Nebenfiguren, vor allem die bunt zusammen gewürfelte Mannschaft der Gekko unter ihrem Anführer Holland oder die Antagonisten Colonel Dewey Novak und Anemone, versammeln.

Die Mannschaft der Gekkostate

Renton ist ein typischer 14-jähriger Teenager, der sich vor allem ausprobieren, seine Grenzen entdecken, seinen Platz in der Welt der Erwachsenen erkämpfen will und von dem einfältigen Traum erfüllt ist, ein großer weltberühmter Luftsurfer zu werden. Sich zunächst naiv in einer wahr gewordenen Abenteuerfantasie wähnend, stolpert er in einen Konflikt, dessen weltumspannende Bedeutung er nicht begreift. Von hormonellen Stürmen gebeutelt möchte Renton nur das „Mädchen“ beschützen, versucht ihr tölpelhaft zu imponieren und sein Gefühlschaos zu bändigen. Spät, fast zu spät, beginnt Renton zu begreifen, dass die von ihm ausgefochtenen Luftkämpfe blutiger Ernst sind, dass Menschen sterben, dass jede Handlung Konsequenzen hat und an dieser Erkenntnis droht er beinahe zu zerbrechen. 


Eureka hingegen, die körperlich 14-jährige Pilotin der Nirvash (einem lebenden Kampfroboter), wirkt zunächst seltsam emotionslos, eine leer erscheinende Persönlichkeit, die einzig dem Anführer der Gekko Holland vertraut und blind alle seine Befehle befolgt. Erst im Kontakt mit Renton beginnen sich in ihr Emotionen zu entwickeln, die sie im Verlauf der Serie in immer stärkerem Maße zu erschüttern beginnen, hatte sie doch zuvor nie gelernt menschlich zu fühlen, zu lieben, zu hassen, zu verzweifeln, Angst zu haben, sich Mut zu erkämpfen. Die immer unkontrollierbarer wuchernden Emotionen lösen in Eureka Panik aus und sie flüchtet in ihr Innerstes, möchte wieder zu dem werden was sie einst war, ein unbeschriebenes Blatt Papier.      

Die Gekkostate
Im Grunde erzählt EUREKA SEVEN also eine Geschichte vom Erwachsenwerden, vom Erlernen Verantwortung für sich und andere zu übernehmen, vom Begreifen was es heißt ein Mensch zu sein. Das Finale der Serie kann vielleicht nicht jeden Zuschauer vollständig überzeugen, allzu viele zuvor aufwendig etablierte Handlungsstränge werden abrupt und kommentarlos abgeschnitten, verlaufen im Nichts, doch zumindest auf emotionaler Ebene funktioniert es so wie es ist, zumindest für mich, sehr gut. Und natürlich badet das Ende geradezu in Kitsch, aber das sollte langjährige Anime-Freunde nicht wirklich überraschen. Besonders erwähnenswert ist noch der interessante Soundtrack der Serie, der sich aus teilweise ziemlich eigenwillig wirkender elektronischer Musik, Techno und Rave* zusammensetzt, aber auch viele orchestral anmutende Stücke effektvoll einzubauen versteht und so perfekt die Atmosphäre der Handlung verstärkt. Die wechselnden Titel- und Abspann-Musikstücke werden dagegen durch (mich meist anödenden) konventionellen J-Pop geprägt, dessen qualitative Beurteilung wie immer Geschmackssache ist.

Eureka im Kriegsgebiet

Gedanken zur deutschen Synchronisation
Viel habe ich gelesen über angeblich schlechte deutsche Synchronisationen und die per Naturgesetzt unangreifbaren japanischen Vertonungen von Anime-Serien. Mit Verlaub, das ist dummes Zeug! Für mich als durch den mitteleuropäisch-deutschen Kulturraum geprägten Zuschauer funktioniert eine professionell gemachte deutsche Synchro häufig weitaus besser, als die japanische Fassung. Was viele fanatische Anime-Liebhaber anscheinend nicht bemerken ist die Tatsache, dass in vielen Animeserien stets dieselben Typen/Stereotypen besetzt werden. Viele Sprecher klingen ihrem Klischee entsprechend, das sie verkörpern, austauschbar. So etwas anzumerken gilt in gewissen Fankreisen aber schon als Ketzerei.

Colonel Dewey Novak
EUREKA SEVEN ist in Beispiel für eine sehr gute, an den mitteleuropäischen Kulturraum angepasste, Synchronisation. Alle Hauptcharaktere sind passend besetzt und können locker mit ihren japanischen Kollegen mithalten. Gerade der so viel gescholtene Sprecher Rentons, Raul Richter, kann mit seiner ganz eigenen Interpretation der Rolle glänzen. Er wirkt zwar weitaus weniger androgyn als in der japanischen (wo eine Frau Renton spricht) Fassung, ist weitaus "männlicher", was aber meiner Ansicht nach viel besser zu der Figur des nervigen pubertierenden Teenagers passt. Desgleichen gilt für Eureka, deren deutscher Stimme es gelingt der Figur weitere Dimensionen hinzuzufügen. Hin und herpendelnd zwischen Unsicherheit, Melancholie und verzweifelter Entschlossenheit, gibt Julia Meynen Eureka auch eine tiefe Wärme, die der zarteren japanischen Kollegin etwas abgeht. Eine wirklich gelungene Neuinterpretation der originalen japanischen Vertonung. 

Eureka und Renton
Zusammenfassung:
EUREKA SEVEN ist eine wirklich herausragende Animeserie, dessen zeichnerisches Design und die erschaffene Welt, dem relativ abgedroschenen Mecha-Universum neue Impulse verleihen können. Das eigentliche Prunkstück der Serie bildet jedoch das äußerst gelungene lebendige Charakterdesign und die Entwicklung der Beziehung der beiden Hauptcharaktere Eureka und Renton. Die Geschichte von den Coralians und ihrer Konfrontation mit den Menschen, wird dabei fast zur unwichtigen Randnotiz. EUREKA SEVEN gehört damit, in meinen Augen, sicherlich zu den besten Anime-Serien der letzten Dekade und jeder Fan japanischer Trickkunst, der einem Science-Fiction-Romance-Action-Drama etwas abgewinnen kann, sollte dieser tollen Serie eine Chance geben. 

Eureka, Renton und die Nirvash

*Einige Begrifflichkeiten  aus EUREKA SEVEN, wie der Second-Summer-of-Love, lassen sich direkt auf die Rave-Szene zurückführen.


Titel: EUREKA SEVEN - Kōkyōshihen Eureka Sebun  
Zeichenstudio: Bones
Entstehungsjahr: 2005
Länge: 51 Folgen / à 25 Minuten
DVD: Beez Entertainment
Ton: Japanisch, Deutsch
Untertitel: Deutsch

5 Kommentare:

  1. >Im Grunde erzählt EUREKA SEVEN also eine Geschichte
    > vom Erwachsenwerden, vom Erlernen Verantwortung für
    >sich und andere zu übernehmen, vom Begreifen was es
    >heißt ein Mensch zu sein.

    Ich weiß nicht, ob das nicht ein klassischer Fall von nichtjapanischem Überinterpretationsbedürfnis ist, der sich besonders bei NGE immer wieder zeigt und wo ich mich Frage, ob das denn sinnvoll bzw. im Sinne der Macher ist.

    Was mich bei E7 gestört hat war die Unentschlossenheit, mit der man die Handlung verfolgt hat. Man hängt aber ständig zwischen Abenteuer, (kitschiger) Romanze, Action und den Problemen der Charaktere mit ihren eigenem Inneren. Dadurch geht die Originalität verloren, und es entstehen doch wieder die altbekannten Anime-Pappkameraden. Die Zielgruppe von E7 sind Teenager, das sollte man nicht vergessen. Vielleicht wirken die Konflikte der Charaktere auf mich deswegen auch nicht authentisch. Am besten fand ich die Comedyfolgen, wohl ein Mitbringsel aus der davor produzierten Serie Mars Daybreak.

    Allerdings muss ich hinzufügen, mit Bones nie so recht warmgeworden zu sein. Liegt evtl. an der Tendenz, zu viel zu wollen und dann den Kern der Handlung (oder ein zufriedenstellendes Ende) aus den Augen zu verlieren. RahXephon ist da noch eine Ausnahme.

    Zur Synchronisation kann ich nichts sagen, da ich die Serie im Original gesehen habe. Ohne Untertitel, bevor's jetzt was setzt ;-)

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  2. Hallo Hans Zillermann

    Ich stehe vollkommen zu meinen von dir zitierten Worten, denn diese Aussage lässt sich doch ziemlich offensichtlich in der Serie nachweisen, ohne großartig interpretatorische Bocksprünge machen zu müssen. Im Falle des weitaus kryptischer daherkommenden EVANGELION sieht die Sache aber schon anders aus.

    Außerdem halte ich es nicht für ungewöhnlich, dass ein westliches Publikum Medien aus einem anderen (exotisch/fremdartigen) Kulturkreis fehl interpretiert. Selbst trivialste Dinge können philosophisch aufgeblasen wirken. Umgekehrt ist dies genauso, wie man z.B. an der Affinität der japanischen Popkultur zur christlichen Mystik sehen kann.
    Ich halte diese kulturellen Missverständnisse für geistig durchaus inspirierend und es ist mir dabei vollkommen Schnurz was die Macher sich dabei (oder auch nicht) gedacht haben.

    EUREKA 7 ist sicherlich, da hast du recht, für ein vor allem jugendliches Publikum geschaffen worden, eine typische Coming-of-age Story. Für das Genre des Shonen-Anime halte ich diese Serie aber in der Entwicklung seiner Charaktere für deutlich überdurchschnittlich und meine Wertung von 9/10 ist selbstverständlich genrebezogen zu verstehen. Qualitativ übertrifft EUREKA hochgejubeltes Fastfood wie z.B. CODE GEASS haushoch.

    Für mich sind Anime-Serien eine Art Soap-Ersatz, eine erfolgreiche Therapie gegen meine Kitsch-Allergie, die mich (mit ganz wenigen Ausnahmen) vor allem emotional und weniger intellektuell unterhalten sollen. Dies gelingt EUREKA, zumindest in meinem Fall, vorzüglich.
    Spielfilme rezipiere ich da weitaus kritischer und kopfgesteuerter. Zumindest meistens... ;-)

    Deine Kritik der Vermischung verschiedener Genreelemente (Comedy, Romance, Mecha, Drama) geht für mich ins Leere, da gerade durch diese abwechslungsreiche Mischung niemals Langeweile aufkam. Einen Mangel an Originalität konnte ich hier nicht entdecken. Dies lässt sich allenfalls von der doch ziemlich Genre-typischen Rahmenhandlung eines Mecha-Animes behaupten.

    Was RAHXEPHON betrifft, muss ich zugeben, dass ich die Serie nie zu Ende geschaut habe, da die Charaktere und das an EVANGELION erinnernde Design, mich damals nicht derart fesseln konnten und der Funke nicht überspringen wollte. Zur gleichen Zeit schaffte es eine Serie wie LAST EXIL mich weitaus stärker zu beeindrucken. Aber vielleicht sollte ich RAHXEPHON noch eine zweite Chance einräumen.

    Übrigens, solange meine weltanschaulich moralischen Überzeugungen nicht erschüttert werden, ist hier eine konträre Meinung gern gesehen, denn erst dadurch wird eine Diskussion angestoßen. Du darfst die deutsche Synchro also offen verdammen… ;-P

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  3. RahXephon hat mit NGE eigentlich nichts zu tun. Zwar hat man da etwas fremdartige Mystik eingebaut, aber es gibt viel mehr Gemeinsamkeiten mit Yûsha Raideen aus den 70ern. Das geht vom Mechadesign über die Art der Angriffe zum Einsaugen des Piloten. Die Serie ist außerhalb Japans kaum bekannt, weswegen dies in gern übersehen wird.

    > Qualitativ übertrifft EUREKA hochgejubeltes
    > Fastfood wie z.B. CODE GEASS haushoch.

    Geassdiskussionen meide ich eigentlich, da kann man nur verlieren. Ich habe beide Staffeln damals während der Erstausstrahlung gesehen, und die Wartezeit zwischen den einzelnen Folgen war furchtbar. Die Serie hatte in Staffel 2 den ein oder anderen Einbruch, insgesamt war es aber grandiose Unterhaltung. Mehr will ich gar nicht.

    Schaust du eigentlich Doramas?

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  4. Glaube nicht, dass ich CODE GEASS verachten würde, eine durchaus kurzweilige Serie, aber natürlich absolut leichte oberflächliche Kost.

    Das was du bei EUREKA 7 kritisierst...

    "Was mich bei E7 gestört hat war die Unentschlossenheit, mit der man die Handlung verfolgt hat. Man hängt aber ständig zwischen Abenteuer, (kitschiger) Romanze, Action und den Problemen der Charaktere mit ihren eigenem Inneren. Dadurch geht die Originalität verloren, und es entstehen doch wieder die altbekannten Anime-Pappkameraden."

    ...könnte man 1:1 auf CODE GEASS übertragen.

    Aber die Anime-Pappkameraden in CODE GEASS haben mich, trotz ihrer haarsträubend unrealistischen Charakterentwicklung, gut unterhalten. Das größere Problem sind für mich nicht die unlogischen inkonsistenten Verhaltensmuster, sondern die wahnwitzigen Haken des Plots, die wie Springteufel immer dann in Erscheinung traten, wenn die Situation für den „Helden“ aussichtslos erschien. Dieses Problem, der DEUS EX MACHINA Effekt, trat in CODE GEASS seit den ersten Folgen auf, verschärfte sich aber, wie du es selbst andeutest, erst so richtig mit der 2. Staffel. Den massiven Einsatz von Fanservice habe ich dabei noch gar nicht erwähnt.

    Wie ich es schon sagte, der Fastfoodcharakter der Serie kann kurzweilig gut unterhalten, bietet aber nichts was mich dauerhaft emotional berühren kann, weshalb ich EUREKA 7 insgesamt in weitaus größerem Maße schätze. Dennoch habe ich mir selbstverständlich die letzte Doppel-DVD der deutschen Fassung von CODE GEASS, die im November erscheint, vorbestellt.

    Außer ein paar Folgen NODAME CANTABILE habe ich mir bisher keine Doramas angesehen. So sehr ich den Anime mochte, so skurril und bizarr fand ich die von Schauspielern verkörperte Fassung. Ich glaube ich werde so schnell kein Freund von Doramas werden, genauso wenig wie ich mir GZSZ oder eine x-beliebige amerikanische Soap anschauen werde. Dafür habe ich ja schon, als Ersatzhandlung, meine Liebe zu Anime-Serien entdeckt.

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  5. also, ich gebe jetzt auch einfach mal meinen senf dazu: ich liebe diese serie gerade WEIL die charaktere dauernd irgendwelche konflikte und probleme mit sich selbst und untereinander haben. nehmen wir doch das beispiel holland:
    eigentlich ist der typ das totale aloch, aber irgendwie schafft die serie es doch, dass der typ einem total ans herz wächst und wenn man es zulässt sogar der lieblingscharakter wird. das wird meiner meinung nach dadurch geschafft, dass er sich manchmal von seiner, sagen wir erschrekenden vergangenheit hat einholen lassen und dann total anders ist als normalerweise und sonst nach ausenhin immer einen auf harten kerl macht. außerdem erfährt man so auch mehr über die charaktere.
    und was die handlung betrifft:
    ich fand die mischung eigentlich gut und muss sagen, dass mir die entwicklung der handlung auch gut gefallen hat und dass am ende fast alle fragen die sich im laufe der zeit angestaut hatten beantwortet wurden =)

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