- Widmung der symphonischen Dichtung "Tapiola" -

Da dehnen sich des Westlands Wälder, uralt, geheimnisvoll in wilden Träumen, Waldgeister weben in dem Dunkel.

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Samstag, 27. März 2010

Blame! (8/10)

Askese des Schweigens

Schon auf den ersten Seiten umfängt den Leser eine geradezu lähmende Sprachlosigkeit, eine fröstelnde Kälte, drastisch verstärkt durch die abweisend futuristische Architektur. Eine Welt des Individuums, die kaum wirkliche Beziehungen zwischen den Personen zulässt. Die Isolation der Protagonisten (allen voran der Held (?!) Killy) scheint fast vollkommen. Das nicht Vorhandensein der Sprache ist hierfür das deutlichste Symptom!
Gerade die extrem minimalistischen Dialoge zeichnen Blame aus, die Reduzierung der Kommunikation auf geradezu mikroskopische Partikel, das absolut Elementare. Die Personen haben sich kaum etwas zu sagen, meist nichts außer Gewalt und Schmerz. Die sonst allzu oft eine Scheintiefe vortäuschende breiige Philosophiegestammel anderer Manga (z.B. Eden) fehlt hier daher vollständig. Eine angenehme Abwechslung.

Der dank einer Superwaffe letztendlich unbesiegbare Killy, taumelt durch die verschiedenen ebenen des gigantischen Technikfriedhofes, scheinbar unberührt von den Tragödien die sich auf Schritt und Tritt um ihn ereignen, ein ständiger Zerfall auch der letzten mühsam aufrechterhaltenen Ordnung. Er verfolgt stringent nur seine eigenen ominösen egoistischen Ziele, benutz die Personen auf die er trifft soweit möglich für seine eigen Pläne, hilft ihnen wenn es ihm Vorteile verschafft. Die rätselhaften Netzwerkgene sind alles was ihn wirklich interessiert.

Diese Welt ist eine alptraumartige Vision einer nicht näher zu spezifizierenden fernen Zukunft, in der die westlich geprägte Weltordnung auf ihre prähistorischen Wurzeln zurückgeworfen wurde. Das Recht des Stärkeren dominiert den Alltag, eine anarchistische Ordnung ersetzt jede höhere gemeinsame Moral. Staaten oder ähnliches existieren nicht, archaische Gemeinschaften bestimmen das menschliche Zusammenleben, eine primitive Gesellschaft vor dem Hintergrund eines gigantischen Technikfriedhofes von dem nicht klar ist wer ihn und zu welchem Zweck errichtet hat. Durch den geringen Informationsfluss fühlt sich der Leser wie ein stiller Teilhaber an Killy's Wanderung, an dessen Schultern man sich verzweifelt festkrallt, eine unbekannte Welt wird entdeckt, von der Killy ebensoviel weiß wie wir als Leser selbst. Es existiert keinerlei Wissensvorsprung des Lesers, die Handlung spielt immer in der Gegenwart. Der nächste Augenblick bleibt stets ein dunkles schwarzes Loch von dem nie klar ist welche erschreckende Überraschung sich hinter der nächsten Ecke verbergen mag. Gerade aus dem absoluten " Jetzt" der Geschichte entwickelt sich ein großer Teil des besonderen Reiz von Blame. Der Leser wird mitgerissen, dass ihm keine Zeit bleibt zu überlegen was das alles zu bedeuten hat.

Bei der Gestaltung der Panelsequenzen wird deutlich das Nihei noch keine ganz schlüssige Bildsprache gefunden hat. Die oftmals verwirrende Abfolge von Bildfetzen, kann auch nach mehrmaligem konzentriertem Betrachten nicht vollständig entschlüsselt werden. Gerade die Actionszenen verwirren stellenweise derart, dass nicht klar wird was eigentlich passiert und erst hinterher lässt sich dies vom Leser mühsam rekonstruieren. Der größte Schwachpunkt des Werkes.

Ein trotz einiger Schwächen suggestiv wirkender Bilderrausch, der keiner Worte bedarf, um den Leser in seinen Bann zu ziehen. Die nur langsam häppchenweise offenbarten Hintergründe der Welt, lassen den Leser mit steigender Neugier zurück, denn eine Frage quält ihn von Band zu Band immer stärker: "Was zum Teufel soll das alles eigentlich?"
Kein Manga für Einsteiger, aber eine faszinierende, stellenweise experimentell wirkende Innovation, die von diesem begabten Zeichner zukünftig noch weitaus mehr erwarten lässt.

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