- Widmung der symphonischen Dichtung "Tapiola" -

Da dehnen sich des Westlands Wälder, uralt, geheimnisvoll in wilden Träumen, Waldgeister weben in dem Dunkel.

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Samstag, 27. März 2010

Ghost in the Shell 2 - Innocence (8/10)


Innocence - Oshiis visuelles Meisterwerk

Lange hatte ich gewartet bis endlich der 2 Teil von Ghost in the Shell (Japan 2004) auch nach Deutschland kam. Aber das Warten hatte sich wirklich gelohnt. Mamoru Oshii konnte alle meine Erwartungen erfüllen, und das ist mehr als ich nach auch vielen negativen Kritiken zu hoffen wagen konnte. Atemberaubende futuristische Stadtlandschaften, Überzeugendes Roboterdesign, eine visuelle Orgie getragen und verstärkt durch die atmosphärisch dichte Musik Kenji Kawais. Da Lacht das Herz jeden Science Fiction Fans, der hier endlich nach langer Durststrecke wieder einmal einen gelungenen Vertreter des so genannten "(Neo-)Cyberpunks" in sich aufsaugen kann.
Der Film quillt über vor künstlerischen Verweisen und bedient sich ausgelassen aus der Schatzkiste des 20. Jahrhundert. So finden die erotischen Puppen des deutschen Künstlers Hans Bellmer (die Vorlage für die weiblichen "Sexaroiden") ebenso Eingang in das Werk, wie das Concierto de Aranjuez von Joaquin Rodrigo (Adaptiert im gelungenen Schlusssong "Follow Me").

Die nicht allzu ferne Zukunft. Die Cyborgisierung der Gesellschaft schreitet immer zügiger voran. Alle die es sich leisten können werten sich durch Gehirnkapazitätserweiterungen oder leistungsstarke Cyborgkörper auf, so dass nur noch das Gehirn als menschlicher Kern, als Behältnis der Seele und des Geistes übrig bleibt. Dadurch wird der Mensch aber auch immer abhängiger von der Technik und seine Realität lässt sich leicht durch Gehirnhacks deformieren.
Die eigentliche Handlung ist schnell erzählt. Einige Jahre nachdem Major Motoko verschwunden ist, jagt Sektion 9 immer noch nach Cyberterroristen und anderen die öffentliche Sicherheit gefährdenden Elementen. Batou, der seine alte Kollegin immer noch vermisst, ist mit seinem neuen Partner Togusa auf eine außergewöhnliche Mordserie angesetzt worden. Weibliche Androiden, ausgestattet mit delikaten Zusatzfunktionen, ermorden aus unbekannten Gründen ihre Besitzer. Als Täter kommen kriminelle Hacker oder die Yakuza in Frage. Da auch hochrangige Mitglieder aus Politik und Wirtschaft betroffen sind, erscheint auch ein terroristischer Hintergrund möglich. Doch schnell weisen die Ermittlungen in eine ganz andere unerwartete Richtung.

Neben der überragenden visuellen Strahlkraft bietet Innocence leider auch die altbekannten Schwächen des Regisseurs. Wieder einmal werden philosophische Fragen aufgeworfen, deren Antwort (wie im Anime üblich) der Film schuldig bleibt. Was macht den Menschen zum Menschen, worin unterscheidet er sich von Robotern und Puppen? Kann man in einer vernetzten digitalisierten Welt noch seinen Sinnen trauen? Was macht die Realität real? Statt hier der Kraft seiner Bilder zu vertrauen, packt Oshii leider den verbalen Holzhammer aus. Der Anime verliert sich zuweilen in einer Flut aus Zitaten. Von Descartes, Grimm bis Milton, der Dialog bleibt im Sumpf hochtrabender Phrasen stecken. Die Handlung droht somit zwischenzeitlich ins philosophische Nirwana abzuheben. Diese Eigenschaft (in abgeschwächterer Form) hatte ja auch schon Oshiis Ghost in the Shell, Patlabor 1 & 2 oder sein Realfilm Avalon.
Aber was soll ich sagen, das ist mir bei diesem visuellen Hochgenuss vollkommen egal. Ich lass mich von dem Sog der Bilder davontragen. Trotz Schwächen auf der Dialogebene beeindruckt mich der Film als visionäres Meisterwerk wie es sonst nur Science Fiction Klassiker wie Alien, Blade Runner und 2001-Odyssee im Weltall vermochten. Auf diese Filme beruft sich Oshii laut eigener Aussage (Interview auf der DVD) auch ganz offen. Oshii outet sich damit als ein vor allem visuelles Regietalent, das Bilder und Musik auf geschickte weise zu einem atmosphärischen Gesamtkunstwerk zu verweben weis. Dass seine Dialoge dagegen in arkadischen Sphären schweben, stört mich dabei nicht wirklich.

Ach und übrigens... Der Film ist nicht zuletzt ein Denkmal für den geliebten Haushund Oshiis (der mittlerweile verstorben ist). Selten ist einem Haustier eine solche Ehre zuteil geworden. Aufmerksame Beobachter kennen den Basset schon aus dem ersten Teil und dem Realfilm Avalon.

Freunde rasanter Actionanime ohne Tiefgang (z.B. Appleseed) finden hier sicher keine Weide um ihren Hunger zu stillen. Es gibt zwar durchaus einzelne Actionsequenzen, diese werden jedoch von ausufernden rein atmosphärisch wirkenden ruhigen Passagen umrahmt, nicht zu vergessen die schon erwähnten philosophischen Eskapaden. Das großartige dieses Animes liegt vor allem in der visuellen Kraft und atmosphärischen Dichte. Trotz seiner inhaltlich etwas sperrigen und beinahe publikumsfeindlichen Struktur ist "Ghost in the Shell 2" in meinen Augen deshalb dennoch ein Meisterwerk. Ein visuell wegweisender Meilenstein für den Anime, wie es vor 10 Jahren schon der erste Teil gewesen ist.

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