- Widmung der symphonischen Dichtung "Tapiola" -

Da dehnen sich des Westlands Wälder, uralt, geheimnisvoll in wilden Träumen, Waldgeister weben in dem Dunkel.

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Samstag, 27. März 2010

RAN (10/10)


Chaos - Kurosawas Apokalypse

Trotz seiner vielen erfolgreichen Filme (Die sieben Samurai, Yojimbo, ...) gelang es Kurosawa ab Mitte der sechziger Jahre nicht mehr seine ambitionierten Projekte in Japan zu verwirklichen (die Studios versagten ihm die weitere Unterstützung). Gemeinsam mit befreundeten japanischen Regisseuren (den "4 Rittern") und privatem Kapital versuchte er darum vollkommen eigenständig Filme zu produzieren. Aufgrund der Thematik von Außenseitern der japanischen Gesellschaft entwickelte sich aber gleich sein erster Film zum totalen finanziellen Desaster. Im Bewusstsein seine Freunde in den Ruin getrieben zu haben unternahm Kurosawa einen Selbstmordversuch. Aus der Verzweiflung dieser persönlichen Krise konnte er sich zum Glück für alle Cineasten durch eine internationale Koproduktion (Japan/UDSSR) befreien und neue kreative Kraft schöpfen. "Uzala der Kirgise" gewann 1975 den Oscar für den besten fremdsprachigen Film.
Die Unterstützung ausländischer Bewunderer ermöglichte es ihm nach diesem Erfolg wieder groß angelegte Stoffe zu verfilmen. So entstanden 1980 "Kagemusha" und 1985 Akira Kurosawas bester Farbfilm und Höhepunkt seines Alterswerk, "Ran".

Seit Jahren schon an dem Drehbuch schreibend, erfüllt sich Kurosawa mit der Umsetzung seiner König Lear Fassung (nach Shakespeare) einen großen Traum. Doch sein Werk endet ungleich düsterer und hoffnungsloser als das europäische Original. Hier zeigt sich der tiefe Pessimismus, das abgründige Menschenbild das Kurosawa im Alter entwickelte. Die Schrecken des verheerenden Erdbeben von 1923, das Chaos des brennenden Tokios, die er als Kind unmittelbar erfahren musste, fließen scheinbar direkt in diese Untergangsfantasie. In "Ran" bietet er noch einmal sein ganzes Können auf, seine meisterhafte Fähigkeit der Massenchoreographie, der expressionistische Einsatz von Farbe, dir organische Verbindung von Landschaft, Himmel und Mensch. Wie sehr sich Kurosawa auch am (traditionell japanischen) Theater orientierte zeigen die fantastischen Kostüme von Emi Wada (Oscar 1985) und die deutlich geschminkten Darsteller, die in ihren erstarrten Gesichtern zuweilen an -Masken erinnern. Die Schauspieler verkörpern weniger Menschen als Archetypen, die direkt einer griechischen Tragödie vom Format der "Medea" entstiegen sein könnten. Dieser Eindruck wird durch die bis ins letzte Detail durchkomponierte Symmetrie der Bildsprache noch unterstrichen.
Besonders erwähnenswert an "Ran" ist auch der Farbcode des Films, der jedem Clan, den einzelnen Brüdern und Hauptdarstellern, eine eigene Primärfarbe (einzig der Hoffnarr, als Zerrspiegel der Welt, trägt Bunt) zuordnet. Ein Prinzip das von Zhang Yimou in seinem Martial Arts Epos "Hero" wieder aufgegriffen wurde. Die Musik von Toru Takemitsu, einem der renommiertesten Komponisten Japans im 20.Jahrhundert, transportiert und verstärkt perfekt die Endzeitstimmung, die tragische Melancholie, dieser filmischen Apokalypse.

Ein alter Fürst, der unzähligen Schlachten und des Erobern müde, möchte sich zur Ruhe setzten. Er übergibt seinem Ältesten die Macht und beschwört die Einheit seiner drei Söhne. Im Gegensatz zu den schmeichelnden Worten der beiden Älteren erregt sich der jüngste Sohn über die Naivität, die Dummheit des Vaters, wie er glauben könne, dass seine Söhne Frieden halten und ihm auch weiterhin den nötigen Respekt erweisen würden. Über die harten (aber wahren) Worte des Jüngsten außer sich, verstößt er diesen, nimmt ihm alle Rechte eines Sohnes.
Dann, nach kurzer Zeit beginnt das Unheil seinen Lauf. Denn die beiden anderen Brüder, ganz die Kinder einer kriegerischen grausamen Epoche, denken nur an die Erfüllung des eigenen Ehrgeiz. Ein weiterer Schatten der Vergangenheit tritt hinzu. Die Ehefrau des Ältesten ist die Tochter eines vom Großfürsten einstmals vernichteten Clans und sinnt immer noch auf blutige Rache. Der naive älteste Sohn, von seiner hasserfüllten Frau angestachelt, will den Vater zwingen sich ihm zu unterwerfen. In seinem Stolz gekränkt zieht dieser mit seiner ihm verbliebenen Leibgarde zur Burg des zweiten Sohns, doch auch dort wird ihm der angemessene Empfang verweigert, das Misstrauen ihm gegenüber ist zu groß, der Machthunger der beiden Söhne übermächtig. Statt nun zu seinem dritten Sohn zu gehen und um Vergebung zu bitten rennt der alte Fürst vom Stolz geblendet in sein Verderben. Nachdem er die verlassene Burg des Jüngsten besetzt hat, wird er von den vereinigten Heeren der beiden ältesten Söhne überfallen. Der visuell beeindruckendste Moment des ganzen Films, die stürmenden Samurai, die Berge von Leichen, Ströme von Blut, verbinden sich mit Rauch und Flammen der brennenden Burg, mit der düsteren Musik Takemitsus zu einem monumentalen Requiem. Alles, seine treuen Vasallen, die Konkubinen und Dienerinnen, sein Stolz und der Verstand verbrennen in diesem Alptraum menschlichen Wahns zu Asche. Allein zurückgelassen, zum Seppuku nicht fähig, da alle Schwerter zerbrochen liegen, verfällt der Fürst dem Irrsinn und wandelt wie ein lebender Toter durch die Trümmer seiner Existenz. Lediglich sein Hofnarr und ein letzter treuer Krieger bleiben bei ihm.

Doch hier endet die Geschichte noch nicht. Erst muss auch der letzte Bruder tot im Staube liegen, die letzte Hoffnung zertrümmert sein. Eine grelle Vision des Untergangs, ein Inferno aus Blut und Feuer. Zurück bleibt eine geschundene leere Welt, in Asche getaucht.

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