- Widmung der symphonischen Dichtung "Tapiola" -

Da dehnen sich des Westlands Wälder, uralt, geheimnisvoll in wilden Träumen, Waldgeister weben in dem Dunkel.

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Samstag, 27. März 2010

Gunslinger Girl (9/10)


In Melancholie versinken

Keine Mutanten, Dämonen, keine unbesiegbaren Mechas, Halbgötter, wie angenehm wohltuend. Diese Serie gab mir den Glauben zurück das "erwachsenere" Animeserien möglich sind. Die vordergründige Handlung lässt sich kurz zusammenfassen. Eine italienische staatliche Geheimorganisation die „Gesellschaft für soziale Wohlfahrt" wandelt an Seele und Körper verletzte Mädchen in Cyborgs um. Die Kinder führen unter Anleitung ihrer „Fratellos" Spezialaufträge (Morde, Antiterroreinsätze) durch. Im Gegensatz zur kalten technischen Abwicklung dieser Einsätze steht die orientierungslose Melancholie der zum Töten konditionierten Mädchen. Dieses amoralische Sujet erinnert nicht von ungefähr an Luc Bessons moderne Actionmythen „Nikita" und „Leon der Profi", wodurch das Ganze den surrealen Anstrich eines modernen Märchens annimmt.

Gerade das Fehlen eines aufdringlichen Handlungsfadens bei Gunslinger Girl empfinde ich als angenehm. Hinter der actionlastigen Fassade lauert stattdessen ein emotionales Minenfeld, das irrationale Sehnen nach Anerkennung und Liebe. Mit zunehmendem Verlauf der Serie wird es deutlicher, die Fixierung der Mädchen auf ihre Fratellos erweist sich als größte Achillesferse des ganzen Cyborgprojekts. Die unnatürlich intensive Bindung, ursprünglich dazu gedacht ihre Zuverlässigkeit und Loyalität zu sichern, um sie so effektiver unter Kontrolle zu behalten, führt bei den Cyborgs zu einer verzweifelten Zuneigung, die sie emotional an ihre „großen Brüder" kettet. Werden diese Gefühle mit Füßen getreten, führt dies bei den Mädchen zu abgründiger Verzweiflung, zu unkontrollierbaren selbstzerstörerischen Gewaltausbrüchen. So steht weniger das oberflächige vorantreiben einer Story im Mittelpunkt der Serie, als das Ausleuchten der komplexen Beziehungen der Mädchen zu ihren „Fratellos" und untereinander, das brüchige Seelenleben aller Protagonisten. Als besonders hervorragend empfinde ich es, dass keine weitschweifigen Erklärungen zu den Gefühlsgewittern abgegeben werden, sondern das wesentliche „Zwischen den Zeilen" vom Zuschauer selbst ertastet werden muss, und was der Zuschauer dort findet lässt ihn frösteln.

Gunslinger Girl bemüht sich bei der graphischen Umsetzung um einen hohen Grad an Realismus, Angefangen von der Architektur bis hin zur beinahe photorealistischen Darstellung der Waffen. Die zurückhaltend eingesetzten, überwiegend kalten Farben verstärken deutlich die düstere Stimmung, einzig das Rot sticht heraus und schreit vor unterschwelliger Aggression. Die Musik ist durchaus ansprechend und untermalt/verstärkt die emotionalen Schatten effektvoll, wenn auch ein wenig mehr Abwechslung gut getan hätte.

Insgesamt ist Gunslinger Girl für mich eine der besten Animeserien der letzten Dekade. Vor allem die besondere melancholische Atmosphäre im Zusammenspiel mit dem tragischen Schicksal der Mädchen zog mich in seinen Bann. Die zweite Staffel "Il Teatrino" erreicht nicht ganz diese emotionale Wucht und kann durch den Wechsel des Animationsstudios auch das hohe technische Niveau nicht halten. Das Charakterdesign nähert sich durch die engere Einbindung des Mangaka an die Comicvorlage an, was vielen Fans der ersten Staffel ebenfalls sauer aufstieß. Dennoch kann ich auch die zweite Staffel empfehlen. Aber mein besonderer Tipp gilt dem Manga Yu Aidas, der sich in den letzten Jahren ein erzählerisches und zeichnerisches Niveau erarbeitet hat, dass ihn zu einem der besten in Deutschland veröffentlichten japanischen Comics macht.

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