- Widmung der symphonischen Dichtung "Tapiola" -

Da dehnen sich des Westlands Wälder, uralt, geheimnisvoll in wilden Träumen, Waldgeister weben in dem Dunkel.

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Samstag, 27. März 2010

Haibane Renmei - Ailes Grises (9/10)


Aschefarbene Flügel - Engel im Schatten ihrer Vergangenheit


Nur durch Zufall bin ich auf dieses Kleinod gestoßen. Als ich hörte das Yoshitoshi ABe der Verfasser dieser unscheinbaren seltsamen Geschichte ist, habe ich einfach blind zugegriffen. Der Name dieses Zeichners und Autors verspricht stets ungewöhnliches Charakterdesign und bizarre Welten. Das Präsentierte verblüffte mich aber dennoch vollständig. (ABe ist wirklich immer für eine Überraschung gut.) Im Gegensatz zum unterkühlten Realismus von Texhnolyze oder dem experimentellen Cyberexpressionismus von Lain, verströmt Haibane Renmei tiefe Menschlichkeit und Wärme.

Die Haibane sind engelsgleiche Wesen mit aschefarbenen Flügeln. Sie leben in einer von Mauern umgebenen Stadt (Guri), abseits der hier auch existierenden Menschen.
Die Mädchen und Jungen wissen nicht weshalb sie an diesem Ort als Haibane widergeboren wurden, sie haben keine Erinnerung an ihr vorheriges menschliches Leben. Nutzlose Flügel wachsen ihnen, ein Lichtreif wird auf ihr Haupt gesetzt, unvollkommene Wesen, nicht Engel und nicht Mensch. Die neugeborenen Haibane erhalten neue Namen, angelehnt an die Träume in ihrem Geburtskokon. Sind diese Träume ein Hinweis auf die Art ihres Todes im vorherigen Leben? Träfe dies zu, bedeutet dies das z.B. ein Name wie Rakka=Fallen auf einen Tod durch einen Fall aus großer Höhe hindeutet? Ähnliche Vermutungen lassen sich für alle Namen der Haibane anstellen.

Die Haibane leben in einer Art Zwischenwelt, ein Fegefeuer das sie offenbar von der aufgeladenen Schuld des vergangenen Lebens befreien soll. Die Haibane reinigen sich (nach meiner Interpretation) von allem menschlichen Ballast, um eine wie auch immer geartete nächste Daseinsstufe zu erreichen. Unausweichlich steuert ihre Existenz auf den Tag der Abreise zu, ihre Seele wird schwerelos und sie entschweben schließlich der Zwischenwelt von Guri.

Die Serie startet ganz langsam und ermöglicht dem Zuschauer einen behutsamen Einstieg in die unbekannte Welt der Haibane. An der Seite von Rakka, einer neugeborenen Haibane, erforschen wir das Leben an diesem fremdartigen und doch auch so vertraut scheinenden Ort. Bis zur Mitte der Serie erscheint Guri als eine Art paradiesische und behütete Stadt, doch dann quillt aus der zuvor nur unterschwellig spürbaren Melancholie das Schwarz der Verzweiflung. Einige der Haibane (Ursündige) sind in einem Käfig aus Schuld gefangen, ohne dass sie wissen worin ihre Schuld eigentlich besteht. An dieser Seelenqual drohen sie zu zerbrechen. Die Melancholie steigert sich zu einem bittersüßen Hymnus, der in der abgründigen Finsternis der letzten Folge gipfelt. Worin diese Schuld besteht? Das überlässt ABe wohlweislich der Fantasie des Zuschauer, denn gerade in den unausgesprochenen Interpretationsmöglichkeiten liegt ein besonderer Reiz von Haibane Renmei.

Die Stärken dieser Serie sind unbestreitbar das ungewöhnliche Setting, die Dialoge, die harmonierende melancholische Musik und das Charakterdesign. Doch wo viel Licht ist gibt es meist auch Schatten. In diesem Fall ist dies die (wohl vom Budget der Serie verschuldete) nicht wirklich überzeugende Qualität der gezeichneten Hintergründe. Vor allem die dargestellte Architektur der Stadt und des Haibane-Tempels ist etwas dürftig geraten und wirkt (für eine Serie aus dem Jahr 2002) etwas hingepfuscht. Besonders unangenehm viel mir dies bei einer Szene auf in der zwei der Protagonisten vom Glockenturm auf die Stadt herabsahen. Von Perspektiven hat der hier verantwortliche Zeichner wohl noch nicht viel gehört. Diese Schwächen fallen für mich unter dem Strich aber nicht weiter ins Gewicht, lenkt diese bescheidene Qualität doch alle Aufmerksamkeit auf die liebenswerten Charaktere und die sich zunehmend verdüsternde Geschichte. Der ein oder andere Zuschauer könnten sich auch an den streckenweise penetrant religiösen Untertönen stören. Außerdem verlangen die zuweilen etwas kryptischen Dialoge (z.B. mit dem Oberhaupt des Haibaneverbandes) und die vor Symbolik überquellende Bildsprache vom Interpretationsvermögen des Zuschauers einiges ab.

Haibane Renmei ist eine ungewöhnliche kleine Animeserie die von ihrer tiefen Menschlichkeit und Melancholie lebt. Freunde von Action und Comedy sollten also Abstand halten. Wer hingegen den Blick in seelische Abgründe sucht ist hier genau richtig. Die Serie ist eine wahre Perle unter den vielen Veröffentlichungen der letzten Jahre und sollte in keiner Sammlung fehlen. Die Altersfreigabe (FSK 12) ist Aufgrund der zuweilen komplexen Dialoge und dem depressiven Unterton durchaus gerechtfertigt.
Insgesamt vergebe ich 9 Sterne, die ungewöhnliche bittersüße melancholische Geschichte lässt hier nichts anderes zu.

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