- Widmung der symphonischen Dichtung "Tapiola" -

Da dehnen sich des Westlands Wälder, uralt, geheimnisvoll in wilden Träumen, Waldgeister weben in dem Dunkel.

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Samstag, 27. März 2010

Samaria (9/10)


Erlösung

Kim Ki-Duk ist einer der Bildmagier des neuen Asiatischen Kinos. Seine Filme erreichen aber aufgrund seines leisen unaufgeregten Stils meist nur ein relativ kleines Publikum. Dennoch laufen seine Werke regelmäßig auf den europäischen Filmfestivals. Als Autodidakt hat er einige Jahre gebraucht um seinen Können zu entwickeln. Mit "Frühling, Sommer, Herbst, Winter und Frühling", "Bin Jip" und "Samaria" hat er seinen vorläufigen Zenit erreicht. Mit einfachsten Mitteln zaubert er menschliche Verzweiflung auf die Leinwand. Dabei geht Kim Ki-Duks weitaus weniger effektheischend vor als sein kommerziell erfolgreicherer koreanische Kollege Park Chan-Wook (Oldboy, Joint Security Area). Ich liebe es einfach in der bittersüßen Melancholie seiner Bilder zu ertrinken. Samaria, in drei Kapitel (Vasumitra, Samaria und Sonata) unterteilt, ist hierfür ein besonders gutes Beispiel.

Zwei befreundete Schulmädchen versuchen auf ungewöhnliche Weise sich den Traum einer Europareise zu finanzieren. Eine der beiden, Jae-Young, prostituiert sich. Ihre Freundin Yeo-Jin, vermittelt die Freier und hält Ausschau nach der Polizei.
Als Jae-Young bei der Flucht vor einer Polizeirazzia schwer verletzt wird, bittet sie Yeo-Jin darum einen ihrer Kunden zu holen, einen jungen Musiker, in den sie sich verliebt hatte. Sie wollte ihn vor ihrem Tod ein letztes mal sehen. Der junge Mann weigert sich jedoch, lässt sich erst durch eine entsprechende „Gefälligkeit" dazu überreden. Als beide beim Krankenhaus ankommen ist die Freundin schon Tod. Damit endet das erste Kapitel des Films.
Yeo-Jin beschließt die Ehre ihrer Freundin wieder herzustellen indem sie den Freiern ihr Geld zurückgibt und noch einmal mit ihnen schläft. So versucht sie die Schuld auf sich zu übertragen. Bei einer dieser Treffen wird sie durch Zufall von ihrem Vater beobachtet, einem Polizisten. Seine kleine Tochter, die er nach dem Tod seiner Frau ganz allein aufgezogen hatte, verkauft ihre Unschuld, er kann es nicht begreifen, eine Welt bricht für ihn zusammen. Der Vater glaubt nun die Ehre der Tochter, ihre Unschuld verteidigen zu müssen und begreift nicht die Unwiederbringlichkeit dieses Verlustes, die Irrationalität seines Versuches. Er stellt einige der Kunden zur Rede, setzt sie unter Druck. Nach und nach verliert er die Kontrolle. Die Verfolgung der Freier gipfelt schließlich in einen delierenden Gewaltausbruch. Durch seine Taten kann er sie nicht "retten", er verwahrlost, zerstört sich selbst.
Dann machen sich Vater und Tochter auf zu einer letzten gemeinsame Reise zum Grab der Mutter. Wer aber nun glaubt, die Handlung steuere jetzt auf einen unnötig gewaltsamen Schlusspunkt zu, irrt.

Die kontroverse Problematik der Schülerprostitution steht nicht, wie man zunächst vermuten könnte, im Mittelpunkt des Filmes, sie bildet nur den oberflächigen Aufhänger für den Verlust der Unschuld. Vielmehr durchzieht das religiöse Motiv der Erlösung, die Katharsis, den Film wie ein roter Faden. Zum Ende sind Vater und Tochter von ihrer Schuld befreit, doch dafür haben beide einen hohen Preis zu zahlen.
Die Schlussszene offenbart, zumindest nach meiner Auslegung, erst den Kern der Handlung. Der Vater lässt die Tochter zurück, entlässt sie in die Erwachsenenwelt, gibt seinen Besitzanspruch auf. Sie muss sich fort an allein in dieser kalten Welt zurechtfinden, ohne die schützende Hand des Vaters, die ihre Kindheit behütet hatte.

Der Film lebt vor allem durch die fröstelnd schönen Bilder der leeren Großstadt und der sich darin verlierenden Menschen. Großen Anteil an der besonderen melancholischen Stimmung von "Samaria" hat die Musik von Park Ji. Der Zuschauer begibt sich auf eine beinahe surreal wirkende Reise. Zu Recht gewann Kim Ki-Duk 2004 für diesen einfühlsamen kleinen Film den silbernen Bären für die beste Regie. Einmal mehr ein Beweis dafür, dass wirklich gute Filme keines großen Budgets bedürfen.

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