- Widmung der symphonischen Dichtung "Tapiola" -

Da dehnen sich des Westlands Wälder, uralt, geheimnisvoll in wilden Träumen, Waldgeister weben in dem Dunkel.

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Samstag, 27. März 2010

Chihiros Reise ins Zauberland (9,5/10)


Chihiros Reise - Ein Film zum Träumen

Hatte Miyazakis "Prinzessin Mononoke" aufgrund stellenweise westlichen Sehgewohnheiten entgegenstehenden (für einen westlichen Zeichentrickfilm ungewöhnlichen) Gewaltdarstellung keine Chancen bei uns breitere Aufmerksamkeit zu ernten, gelang diesem weitaus unblutigeren (aber dennoch gleichermaßen beunruhigende Bilder heraufbeschwörenden) Werk der japanischen Animationsschmiede Ghibli zumindest die Anerkennung der weltweiten Filmkritik (Goldener Bär 2002 und den Oscar für den besten Animationsfilm 2003).

Der Film bietet ein schier unerschöpfliches Kaleidoskop an japanischern Göttern, Geistern und Dämonen, die dem Zuschauer aber nicht geläufig sein müssen um dem Bildersturm der Handlung folgen zu können. Fantasie die so ganz anders ist als die ausgetretenen Pfade der kommerziellen Diarrhö des Hauses Disney (Weichgespülte kantenlose Zeichentrickmusical, jeder unangenehmen Würze beraubt, dem kommerziellen Diktat unterworfen).

Chihiro zieht mit ihren Eltern in eine neue Stadt. Unglücklich musste sie ihre alte Schule und Freunde verlassen. Auf dem Weg zu ihrem neuen Zuhause verfährt sich der Vater im Wald und dabei stoßen sie auf einen seltsamen verlassenen Ort der an eine Art Vergnügungspark erinnert.
Ohne zu überlegen stürzen sich Vater und Mutter auf dort scheinbar herrenlos herumstehende Speisen und verschlingen diese in hastiger Gier. Chihiro weigert sich angewidert von dem Essen zu kosten und erkundet lieber allein die seltsamen Gassen des Parks. Als es dunkel wird und sie erkennt das geisterhafte Wesen aus den Schatten hervordrängen läuft sie zu den Eltern zurück, entsetzt findet sie diese jedoch in Schweine verwandelt. Mit keinem Geld ihrer materiellen Welt können sie den Preis bezahlen den es kostet von den Speisen der Götter zu stehlen! Panisch versucht sie zu fliehen, doch zu spät, die Nacht bricht herein und sie ist an diesem seltsamen angsteinflößenden Ort gefangen. Mit Haku, einem Jungen kaum älter als sie, trifft Chihiro auf einen Führer der ihr hilft sich in dieser ganz eigenen Gesetzen unterworfenen Schattenwelt zurecht zu finden. Yubaba, eine seltsame Hexe, ist die Herrin dieses bizarren Gasthauses der Götter. Nur wer Arbeit hat, hat an diesem Ort auch das Recht zu Leben (Eine Kritik an den reichen Industriegesellschaften?!). So fügt sich Chihiro in ihr Schicksal und tauscht ihren Namen gegen eine Stelle in den Diensten der Hexe ein. Dort hofft sie einen Weg zu finden ihre Eltern, die mittlerweile zu den übrigen Schweinen in die Ställe des Gasthauses getrieben wurden zu retten. Doch erst muss sie zahlreiche Hindernisse in dieser seltsam bunten irrealen Welt überwinden bevor sie ihrem Ziel näher kommen kann.
Hier gibt es kein eindeutiges Schwarz und Weiß, kein Gut oder Böse. Die als gerissene Unternehmerin auftretende Hexe ist gleichzeitig eine rührende Mutter die ihr "Riesenbaby" maßlos verwöhnt. Das Ohmgesicht, ein stummer Dämon, ist freundlich und hilfsbereit gegenüber Chihiro und dennoch ein sich von der Gier anderer ernährendes Monster zugleich. Selbst Haku ihr neuer Freund verbirgt noch eine andere dunklere Seite...

Chihiro schafft es spielend die meisten der leider allzu oft vor abgedroschener Klischeehaftigkeit triefenden Fließband-Animes Japans (Welch ein Potential werfen die japanischen Trickstudios da vor die "Säue") qualitativ weit in den Schatten zu stellen.
Keine Beine bis zum Kinn, keine pädophilen Männerträumen entsprungene Frauengestalten, kein im luftleeren Raum schwebendes, philosophisch aufgeblähtes Gequatsche. Normale menschliche Proportionen (wenn man mal von dem unüberschaubaren Gewusel abnormer Wesenheiten absieht, die diese magische Welt bevölkern) und lebendige Dialoge.
Somit ist Chihiros Reise einer der Filme der endlich mit dem uralten Vorurteil des westlichen Kinos aufräumen kann, dass Zeichentrick nur Kinderkram ist ("solch ein Unsinn kann doch keinen Erwachsenen ernsthaft interessieren"). Denn von dem hier hervorblitzenden Niveau an erwachsener Phantasie könnten sich selbst die allermeisten Realfilme des Gegenwartskino mehr als eine Scheibe abschneiden. Eine dichte an kreativer Ornamentik die einem den Atem zu rauben vermag!

Ein Film für jung und alt (wenn auch nicht für die ganz Kleinen). Geeignet für Kinder ab ca. 8 Jahren, da er in seiner vor verschachtelten Metaphern überquellenden Bildsprache höhere Ansprüche an den Zuschauer stellt, als alle Disneytrickmärchen der letzten 70 Jahre zusammen. Und gerade deshalb ist es auch bestimmt kein harmloses Filmchen vor dem die Eltern ihre Sprösslinge einfach bequem parken können, um sich dann anderen "erwachsenen" Dingen zu widmen. Auf derart wehmütig stimmende schöne Kinomärchen muss der Zuschauer, ob im Realfilm oder Zeichentrick, sehr lange Zeit warten.

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