- Widmung der symphonischen Dichtung "Tapiola" -

Da dehnen sich des Westlands Wälder, uralt, geheimnisvoll in wilden Träumen, Waldgeister weben in dem Dunkel.

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Samstag, 27. März 2010

Prinzessin Mononoke (9,5/10)


In wilden Träumen

"Da dehnen sich des Ostlands Wälder, uralt, geheimnisvoll in wilden Träumen, Waldgeister weben in dem Dunkel..." (abgewandelte nach der Widmung zu Sibelius symphonischer Dichtung "Tapiola")

In der Tradition seines eigenen Zeichentrickklassikers "Nausicaä" greift Miyazaki mit diesem Meisterwerk wider einmal den uralten Konflikt zwischen ungezügelter Natur und menschlicher Zivilisation auf und erschuf gemeinsam mit Studio Ghibli ein von grandiosen Landschaften getragenes Epos. Der Einfluss Kurosawas, dem großen Bildmagier des japanischen Kinos, auf den Regisseur scheint unverkennbar (etwa in den geschwungenen Linien der Japanischen Berge, die stellenweise 1:1 aus Kurosawas RAN entnommen zu sein scheinen). Episches Kino wie es der Zeichentrick- und Realfilm nur selten hervorzubringen vermag.

Mononoke führt uns in ein lange entschwundenes Waldreich, gewoben aus Mythen und Legenden. In den flirrenden Schatten des Blätterdaches leben Geister und Dämonen in Tiergestalt, riesige Wildschweine, weiße Wölfe und der große Gott des Waldes, ein hirschartiges Wesen unergründlicher Macht. In diesem sich scheinbar von Horizont zu Horizont dehnenden Waldland wirken die menschlichen Siedlungen noch wie bedrohte kleine Inseln in einem grünen Ozean. Doch ein Umbruch ist im Gange, die industrielle Revolution mit seinen Schmelzöfen und seinem Hunger nach Brennstoff beginnt sich wie ein Krebsgeschwür in die Wildnis zu fressen. Diese moderne Welt entfremdet seine Bewohner zunehmend von der Natur. Der Wald wird zu einem bedrohlichen angsteinflößenden Ort, die Bäume sind nur noch Ressource des Fortschritts. Die Macht der alten Götter schwindet, die Waage senkt sich zugunsten der landhungrigen Menschen. Doch bei dieser monochromen Weltsicht lässt es der Film nicht beruhen (dies ist schließlich kein Disney), denn die Zivilisation bringt in Form der Eisenhütten der Herrin Eboshi nicht nur blinde Zerstörung, sondern führt auch zur Abkehr von verkrusteten Gesellschaftsformen, strengen Hierarchien und Kasten. Die industrielle Revolution leitet gesellschaftliche Umbrüche ein, die wir mittlerweile in unserer westlichen Welt als selbstverständlich betrachten. Das feudale System eines mittelalterlichen Japans, Hunger und Not, werden überwunden. Errungenschaften die das harte Leben des einfachen Volkes erträglicher machen. So kann der Zuschauer der Herrin Eboshi letztendlich nicht allzu böse sein, denn sie verkörpert den Urgrund auf dem unsere moderne Gesellschaft errichtet wurde. In dieser neuen Welt haben verschlungene Wälder jedoch keinen Platz mehr. Die Menschen haben Angst vor dem Chaos der Natur und sie zerstören lieber das Fremde welches sie umgibt, als es zu begreifen. Sich ihrer schwindenden Macht nur zu bewusst, entschließen sich einige der Tierdämonen zu einer letzten Verzweiflungstat und es droht ein Krieg zwischen Menschen und Wäldern, den keiner wirklich gewinnen kann.

Zum Ende meiner positiven Rezension muss ich noch auf einen kleinen Wermutstropfen hinweisen. Das Finale scheint (ähnlich wie bei Miyazakis "Chihiro" oder "Das wandelnde Schloß") etwas aufgesetzt und in sich nicht ganz schlüssig. Die Vermutung liegt nahe, dass die Methode der frei assoziierenden Entwicklung der Handlung (charakteristisch für die Arbeit des Regisseurs) kein wirklich rundes Ende zuließ. Das bewusste Nichtbeantworten zuvor aufgeworfener philosophischer Fragen, das Pflegen eines Tiefe vortäuschenden Nimbus des Geheimnisvollen, ist ja ein typisches Stilmittel des japanischen Anime. Die grandiose Bildgewalt und atmosphärische Dichte dieses Zeichentrickepos trösten aber über diese kleine Schwäche hinweg. Auf mich persönlich übt der mystische Wald des Hirschgottes ohnehin einen ganz eigenen besonderen Reiz aus. Vielleicht liegt dies an meiner forstlichen Ausbildung, die mir die Welt der Bäume auf emotionaler Ebene besonders nahe bringt.
Aufgrund der teils für einen Zeichentrickfilm (nach westlich geprägter Vorstellung) ungewöhnlich heftigen Gewaltdarstellung, ist dies ein Film für etwas ältere Kinder und erwachsene Trickfilmfans (FSK ab 12). Da aber die wesentliche Zielgruppe für Animationsfilme in unseren heimischen Kinos immer noch Kinder bis 12 Jahren sind, blieb "Prinzessin Mononoke" in der westlichen Welt ein kommerzieller Erfolg verwehrt. Von einer durch alle Altersgruppen getragenen Trickfilmkultur, wie sie in Japan existiert, sind wir in Europa eben noch meilenweit entfernt.
Kritiker die also meinen, dass die hier gezeigte Gewaltdarstellung unnötig sei, da sie den Film für Kinder ungenießbar (und damit zum Kassengift) mache, haben nicht verstanden welches Potential in Trickkunst jenseits der Disneydoktrin noch verborgen liegt.

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