- Widmung der symphonischen Dichtung "Tapiola" -

Da dehnen sich des Westlands Wälder, uralt, geheimnisvoll in wilden Träumen, Waldgeister weben in dem Dunkel.

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Samstag, 27. März 2010

Texhnolyze (8/10)


Eine sperrige Zukunftsvision für Freunde des dystopischen Films

"Texhnolyze" ist eine äußerst sperrige Angelegenheit. Ein wortkarger Scince Fiction Anime von erschreckender Intensität. Eine kalte neorealistische Vision der Zukunft. Die Serie startet geradezu publikumsfeindlich. Die gesamte erste Folge wird kein Wort gesprochen, nur Bildfetzen, atmosphärische Tableaus, lang gestreckte Einstellungen ohne wirkliche Handlung die allein dazu dienen eine fröstelnde Stimmung vor dem Hintergrund einer zerfallenden urbanen Landschaft erstehen zu lassen. Die eigentliche Geschichte entfaltet sich erst nach und nach im weiteren Verlauf der Serie. Der Anime macht es also nicht leicht einen Zugang zu finden. Kommerzielle Anbiederung an die Zuschauer kann man "Texhnolyze" ganz sicher nicht vorwerfen.


Texhnolyze spielt in einer zerfallenden Welt, eine erstarrte Gesellschaft die der Verwesung entgegen döst. Verschiedene Fraktionen leben in Lukuss, einer unterirdischen Stadt, in einem zerbrechlichen Gleichgewicht der Macht, starren sich feindselig gegenseitig an und warten, dass sich der jeweils andere aus der Deckung wagt. Zusammengehalten wird diese Welt durch den Handel mit Lafia, einem ganz besonderen Metall. Die Organo, ein Zusammenschluss mafioser Gruppierungen, leitet den lukrativen Handel mit dem geheimnisvollen Obelisken, dem eigentlichen Zentrum der Stadt. Interne Machtkämpfe erschüttern jedoch die straff geführte Organisation, die Stadt droht in einem Strudel der Gewalt zu versinken.
Ichise, ein Boxer, wird von den Zuhältern einer von ihm verschmähten Dirne verstümmelt, verliert Arme und Beine. Von einer Ärztin mit einem offensichtlichen Gottkomplex erhält er künstlichen Ersatz. Sie nutzt Ichise als willkommenes Versuchskaninchen. Eine seltsame Technologie, die so genannte "Texhnolyze", ermöglicht unter Verwendung des Rafia den Einsatz mechanischer Gliedmaßen. Die Träger solcher machtvollen Prothesen werden gleichzeitig auf seltsame Weise mit dem Obelisken vernetzt.
Der Zuschauer folgt diesem Ichise, einem verzweifelten, von Zorn zerfressenen Charakter, wie er taumelnd seinen aufgerüsteten Körper entdeckt und ziellos durch die in Auflösung befindliche Stadt irrt. Daneben gibt es weitere Protagonisten. Den nüchtern agierenden Organo Anführer Onishi, der versucht das zerbrechliche Gleichgewicht der Macht auszubalancieren, ein aussichtsloser Kampf gegen das Chaos. Eine junge Seherin mit dem vieldeutigen Namen Ran (=Chaos) die von schrecklichen Visionen geplagt wird. Den mysteriösen Anarchisten Yoshii aus der Außenwelt, der ganz eigene zerstörerische Pläne verfolgt.

Die Serie lebt von ihren symbolträchtigen Bildern, den kalten Farben, die eine besondere Atmosphäre des Zerfalls heraufbeschwören. Innovative Schnitte und Perspektiven brechen die üblichen Sehgewohnheiten auf, so dass selbst die durchaus vorhandenen brutalen Actionelemente der Handlung eine seltsam distanzierte Ruhe ausstrahlen. Keine überschnellen Bildfolgen, eine fast asketisch anmutende meditative Bildsprache. Für mich eine angenehme Wohltat im Vergleich zur sonst üblichen Hektik vieler Anime. Diese sperrige wortkarge Inszenierung macht den Zugang aber sicher nicht leichter. Das ganze gibt mir eine Vorstellung davon wie eine Verfilmung von "Blame!" aussehen könnte.

"Texhnolyze" entstand in Zusammenarbeit mit einem der interessantesten Charakterdesigner des Anime, Yoshitoshi ABe. Texhnolyze steht dabei weniger in der Nachfolge des warmherzigen "Haibane Renmei", sondern folgt eher der Tradition von "Serial Experiment Lain". Dessen expressionistische Bildsprache wird hier durch einen knallharten Neorealismus ergänzt.
"Texhnolyze" ist eine meisterhafte, aber sperrige unterkühlte Science fiction Serie, die vor allem ein älteres reiferes Publikum anspricht. Wer müde von den schrillen den Markt überschwemmenden Action- und Comedyserien ist, liegt hier genau richtig. Der Zuschauer wird mit einem intensiven und anspruchsvollen Animeerlebnis belohnt. Eine fröstelnde Zukunftsvision einer unmenschlichen Gesellschaft vor dem Hintergrund zerfallender Stadtlandschaften.

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