Diese Liste bietet einen kleinen Einstieg in 60 Jahre japanischen Filmschaffens. Natürlich ist die Zusammenstellung rein subjektiv und ließe sich je nach Geschmack frei variieren. Die Erstellung einer Auswahl ist eine verdammt schwierige Sache, da bei 22 Filmen viele Lieblinge unter den Tisch fallen müssen. Dazu kommt, dass ich beileibe noch nicht genug japanische Filme gesehen habe, um einen wirklich umfassenden Überblick geben zu können.
- 50er Jahre -
Tokyo Monogatari
Yasujirō Ozu - 1953
Stellvertretend für Ozus Gesamtwerk wählte ich die Reise nach Tokio, da mit Kirschblüten erst jüngst ein deutsches Quasi-Remake ins Kino kam.
Rashomon
Akira Kurosawa - 1950
Filmhistorisch der Film, der die Tore für das japanische Kino in den Westen aufstieß. Deshalb wählte ich z.B. nicht den von mir persönlich noch stärker eingeschätzten „RAN“.
Die Sieben Samurai (Shichinin no samurai)
Akira Kurosawa - 1954
Kurosawas unerreichtes Meisterwerk - Die Referenz des Jidai-geki! Neben Rashomon, RAN, Uzala, Ikiru, Akahige und Kumonosu Jo der stärkste Kurosawa!
The Life of O-Haru (Saikaku Ichidai Onna)
Kenji Mizoguchi - 1952
Einfach mein Lieblings-Film von Mizoguchi! Nicht so überfrachtet wie z.B. Ugetsu Monogatari. Auf emotionaler Ebene packte mich diese Lebensgeschichte schon nach wenigen Minuten und hielt mich den ganzen tragischen Filmverlauf über fest im Griff.
Ugetsu Monogatari
Kenji Mizoguchi - 1953
Ästhetisch wohl der stärkste von Mizoguchis Filmen. Die erzählerische Überfrachtung macht mir aber andere seiner (weniger ambitionierten) Werke sympathischer.
24 Augen (Nijushi no hitomi)
Keisuke Kinoshita -1954
Einer der Klassiker des sentimentalen fernöstlichen „Heimatfilms“. Das japanische Publikum mag scheinbar diese beinahe kitschigen Rührstücke.
- 60er Jahre -
Die Frau in den Dünen (Sunna no Onna)
Hiroshi Teshigahara - 1964
Ein surreales Meisterwerk, das mich immer wieder sprachlos macht! Wenn der Sand vom Wind und der avantgardistischen Musik Tōru Takemitsus getrieben wird, drohe ich in ihm zu versinken. Zeitloses Weltkino, das auch heute noch so frisch und stark wirkt wie am ersten Tag.
Onibaba
Kaneto Shindō -1964
In Shindo Kanetos Schilf-Dschungel verfängt sich die Seele. Eine sexuell aufgeladene schweißtreibende Atmosphäre.
Kwaidan
Masaki Kobayashi -1964
Eine großartige ästhetische Bilderorgie von einem Episodenfilm, der erzählerisch aber nicht in allen Segmenten überzeugen kann.
Masahiro Shinoda -1964
Stilistisch mit knappem Vorsprung mein Lieblings-nicht-Kurosawa-Chambara. Für das tiefere Verständnis sollten einem die Fallstricke der späten von Korruption zerfressenen Bakufu-Regierung und die sich in den 1860er Jahren virusartig unter jungen Samurai ausbreitende reaktionär-revolutionäre Euphorie geläufig sein.
- 70er Jahre -
Sasori (Teil 1-3)
Shun’ya Itō -1972-1973
Der Klassiker des „niveauvollen“ japanischen Exploitation-Kinos der 1970er Jahre. Der herrlich böse Blick Sasoris sticht auch heute noch dem männlichen Zuschauer in den … .
Lone Wolf & Cube (Kozure Ōkami) (Teil 1-6)
Ein Exploitation-Chambara-Klassiker wie er sein sollte: Gnadenlose Schwertkämpfe, Blutfontänen, moralische Abgründe und eine stilistisch überhöhte Bildsprache
Im Reich der Sinne (Ai no Korīda)
Nagisa Oshima - 1976
- 80er Jahre -
Die Familie mit dem umgekehrten Düsenantrieb
(Gyakufunsha kazoku)
Die japanische Durchschnitts-Familie am Abgrund. Eine herrlich überdrehte Eskalations-Komödie. Einer der witzigsten japanischen Filme die ich kenne.
Kikis kleiner Lieferservice (Majo no Takkyūbin)
Hayao Miyazaki - 1989
Vielleicht nicht der bedeutendste, epischste, erfolgreichste Film Miyazakis, aber mit seiner sympathischen Heldin, seiner klaren erzählerischen Struktur und seiner heiter sentimentalen Grundstimmung einfach mein Liebling.
Mein Nachbar Totoro (Tonari no Totoro)
Hayao Miyazaki -1988
Miyazakis schönster Kinderfilm und der Kritiker/Publikums-Erfolg der Ghibli zum bekanntesten Trickstudio Japans machen sollte. Insgesamt erzählerisch runder und ausgewogener als die späteren ebenfalls großartigen Mononoke und Chihiro.
- 90er Jahre -
Ghost in the shell (Kōkaku Kidōtai)
Mamoru Oshii - 1995
Ein moderner Klassiker des Cyber Punk und der Anime mit dem vielleicht größten praktischen Einfluss auf das westliche Filmschaffen.
Yentown (Swallowtail)
Shunji Iwai -1996
Ja, was soll ich sagen, ich habe mich einfach in diese herrlich bitterböse, vor ätzender Kapitalismuskritik triefende und dennoch romantische Tragikomödie verliebt.
Hana-Bi (Feuerblume)
Takeshi Kitano - 1997
Der trockene Humor, die stoisch vorgetragene Gewalt, die tiefe Melancholie, die ausgereifte kühle Ästhetik machen für mich Hana-Bi zu Kitanos bestem Film. Hana-Bi half den angeschlagenen Ruf des japanischen Kinos im Westen wieder herzustellen.
- 00er Jahre -
Nobody Knows (Dare mo shiranai)
Hirokazu Koreeda - 2004
Eine erschreckend real wirkendes Sozialdrama über die Vereinsamung in der Großstadt, dessen gnadenlose Anonymisierung alle Menschlichkeit erstickt.
Hana yori mo naho
Hirokazu Koreeda - 2006
Unter den modernen Widerbelebungsversuchen des Jidai-Geki ist dies mein besonderer Liebling. Ein regelrechter Anti-Chambara-Streifen der Actionfreunde mit einem ratlosen Gähnkrampf zurücklassen dürfte. Ich genoss einfach die sanfte Schönheit der Bilder, die zarte Romantik, den leichtfüßigen Humor, die tiefe Menschlichkeit die jede Pore dieses Filmes atmet.
Love Exposure
Sion Sono - 2008
Tja, wer hätte das Gedacht und dabei war ich nach überlangen Gurken wie z.B. Suicide Circle ziemlich skeptisch ob er einen 4 Stunden Film stemmen könnte. Sion Sonos Meisterstück vereint alles was das schräge moderne japanische Extrem-Kino so skurril und berüchtigt in der Welt macht (vgl. z.B. Miike) und verbindet diese Zutaten traumwandlerisch mit einer zarten Liebesgeschichte, wahrhafter Spiritualität, innerer Größe und Epik. Dinge die eigentlich unvereinbar erscheinen werden hier verrührt und ergeben, fast unglaublich, keinen ungenießbaren Brei sondern ein herrlich verwobenes Gesamtkunstwerk.
Wow, 'n Hammerblog hast du da am Start.
AntwortenLöschenWas die Liste angeht: Je mehr wir uns auf die Gegenwart zubewegen, desto mehr bin ich mit dir. :-)
Mit einigen Klassikern, besonders von Ozu (ja, steinigt mich, bitte!) und Hiroshi Teshigahara werde ich irgendwie nicht warm...
Und Hana yori mo naho nehme ich mal als heißen Tip mit nach hause. ;-)
Kein Problem, ich habe auch einige Jahre des Reifungsprozesses benötigt, um heute, als alter Sack über 30, Teshigahara zu lieben und Ozu zumindest zu respektieren.
AntwortenLöschenUnd vielen Dank für dein Lob!