- Widmung der symphonischen Dichtung "Tapiola" -

Da dehnen sich des Westlands Wälder, uralt, geheimnisvoll in wilden Träumen, Waldgeister weben in dem Dunkel.

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Mittwoch, 31. März 2010

Anime-Kinofilme - eine subjektive Besten-Liste

Wenn ich eine persönliche Besten-Liste des Anime-Kinofilms erstelle, muss ich eine klare Trennlinie ziehen. Anime-Fernsehserien wie Elfen-Lied und Death Note haben in einer solchen Liste selbstverständlich nichts zu suchen. Das gleiche gilt für reine Serien-Auskopplungen (z.B. Fullmetal Alchemist - The Movie), die nicht als selbständige Filme funktionieren. Leider kenne ich den Großteil der frühen Klassiker nicht, weshalb meine Liste vor allem die letzten 25 Jahre umfasst. Die Ghibli-Dominanz ist derart erdrückend, dass das japanische Erfolgsstudio eine eigene Kategorie erhält. Die Filmtitel sind hier zum besseren Vergleich mit internationalen Bestenlisten weitgehend in englischer Sprache gehalten:

Die (vorläufige) Rangfolge der Ghibli-Produktionen:
1. Kiki’s Delivery Service (Miyazaki) 10/10
2. My Neighbor Totoro (Miyazaki) 10/10
3. Nausicaä (Miyazaki) 10/10
4. Princess Mononoke (Miyazaki) 10/10
5. Whisper of the Heart (Yoshifumi Kondo) 9,5/10
6. Grave of the Fireflies (Isao Takahata) 9,5/10
7. Spirited Away (Miyazaki) 9,5/10
8. Laputa (Miyazaki) 9,5/10
9. Ponyo on the Cliff by the Sea 8,5/10
10. Only Yesterday (Isao Takahata) 8/10
11. Lupin III: Castle of Cagliostro (Miyazaki) 8/10
12. My Neighbors the Yamadas (Isao Takahata) 8/10
13. Howl’s Moving Castle (Miyazaki) 8/10
14. Porco Rosso (Miyazaki) 8/10
15. Gedo Senki (Tales from Earthsea) (Goro Miyazaki) 7/10
16. The Cat Returns 7/10
17. Pom Poko (Isao Takahata) 6,5/10
18. Ocean Waves (Tomomi Mochizuki) 6,5/10

Die weiteren (mir bekannten) Anime-Kinoproduktionen:
1. Ghost in the Shell (Mamoru Oshii) 10/10
2. Millennium Actress (Satoshi Kon) 10/10
3. Tokyo Godfathers (Satoshi Kon) 10/10
4. Mindgame (Masaaki Yuasa) 10/10
5. Tekkon Kinkreet (Michael Arias) 10/10
6. Perfect Blue (Satoshi Kon) 9,5/10
7. Barefoot Gen (Kentaro Haneda) 9/10
8. Angel’s Egg (Mamoru Oshii) 9/10
9. Ghost in the Shell 2 – Innocence (Mamoru Oshii) 8,5/10
10. Paprika (Satoshi Kon) 8-9/10
11. Sky crawlers (Mamoru Oshii) 8,5/10
12. Jin-roh (Hiroyuki Okiura) 8,5/10
13. Genius Party (xxx) 8,5/10
14. Girl who Leaped Through Time (Mamoru Hosoda) 8,5/10
15. Summer Wars (Mamoru Hosoda) 8,5/10
16. Akira (Katsuhiro Ôtomo) 8,5/10
17. Metropolis – Robotic Angel (Toshio Furukawa) 8,5/10
18. 5 Centimeters per Second (Makoto Shinkai) 8/10
19. Patlabor 1 & 2 (Mamoru Oshii) 8/10
20. Memories (Morimoto, Okamura, Ôtomo) 7,5/10
21. Summer Days with Coo (Keiichi Hara) 7,5/10
22. The Place Promised in Our Early Days (Makoto Shinkai) 7,5/10
23. The Piano Forest (Masayuki Kojima 7,5/10)
24. Sword of the Stranger (Masahiro Ando) 7,5/10
25. Brave Story (Koichi Chigira) 7/10

Wegen z.B. erzählerisch/inhaltlich mangelnder Qualität bleiben einige Animes, etwa der vollkommen enttäuschende Steamboy (Ôtomo), der meiner Meinung nach grässlich verkappt reaktionäre JAPAN, Our Homeland (Akio Nishizawa) oder die reine Actiongranate Appleseed (Shinji Aramaki) unerwähnt.
Das surreale Meisterwerk Cat Soup (Tatsuo Sato) fehlt als Kurzfilm in einer Kinofilmliste ebenso.

Sonntag, 28. März 2010

22 japanische Filme für Einsteiger


Diese Liste bietet einen kleinen Einstieg in 60 Jahre japanischen Filmschaffens. Natürlich ist die Zusammenstellung rein subjektiv und ließe sich je nach Geschmack frei variieren. Die Erstellung einer Auswahl ist eine verdammt schwierige Sache, da bei 22 Filmen viele Lieblinge unter den Tisch fallen müssen. Dazu kommt, dass ich beileibe noch nicht genug japanische Filme gesehen habe, um einen wirklich umfassenden Überblick geben zu können.

- 50er Jahre -

 
Tokyo Monogatari 
 Yasujirō Ozu - 1953

Stellvertretend für Ozus Gesamtwerk wählte ich die Reise nach Tokio, da mit Kirschblüten erst jüngst ein deutsches Quasi-Remake ins Kino kam.
Rashomon  
Akira Kurosawa - 1950

Filmhistorisch der Film, der die Tore für das japanische Kino in den Westen aufstieß. Deshalb wählte ich z.B. nicht den von mir persönlich noch stärker eingeschätzten „RAN“.

Die Sieben Samurai (Shichinin no samurai)  
Akira Kurosawa - 1954

Kurosawas unerreichtes Meisterwerk - Die Referenz des Jidai-geki! Neben Rashomon, RAN, Uzala, Ikiru, Akahige und Kumonosu Jo der stärkste Kurosawa!

The Life of O-Haru (Saikaku Ichidai Onna)  
Kenji Mizoguchi - 1952

Einfach mein Lieblings-Film von Mizoguchi! Nicht so überfrachtet wie z.B. Ugetsu Monogatari. Auf emotionaler Ebene packte mich diese Lebensgeschichte schon nach wenigen Minuten und hielt mich den ganzen tragischen Filmverlauf über fest im Griff.

Ugetsu Monogatari  
Kenji Mizoguchi - 1953 

Ästhetisch wohl der stärkste von Mizoguchis Filmen. Die erzählerische Überfrachtung macht mir aber andere seiner (weniger ambitionierten) Werke sympathischer.

24 Augen (Nijushi no hitomi)  
Keisuke Kinoshita -1954

Einer der Klassiker des sentimentalen fernöstlichen „Heimatfilms“. Das japanische Publikum mag scheinbar diese beinahe kitschigen Rührstücke.

- 60er Jahre -

Die Frau in den Dünen (Sunna no Onna)  
Hiroshi Teshigahara - 1964

Ein surreales Meisterwerk, das mich immer wieder sprachlos macht! Wenn der Sand vom Wind und der avantgardistischen Musik Tōru Takemitsus getrieben wird, drohe ich in ihm zu versinken. Zeitloses Weltkino, das auch heute noch so frisch und stark wirkt wie am ersten Tag.

Onibaba  
 Kaneto Shindō -1964

In Shindo Kanetos Schilf-Dschungel verfängt sich die Seele. Eine sexuell aufgeladene schweißtreibende Atmosphäre.

Kwaidan  
Masaki Kobayashi -1964

Eine großartige ästhetische Bilderorgie von einem Episodenfilm, der erzählerisch aber nicht in allen Segmenten überzeugen kann.

Masahiro Shinoda -1964

Stilistisch mit knappem Vorsprung mein Lieblings-nicht-Kurosawa-Chambara. Für das tiefere Verständnis sollten einem die Fallstricke der späten von Korruption zerfressenen Bakufu-Regierung und die sich in den 1860er Jahren virusartig unter jungen Samurai ausbreitende reaktionär-revolutionäre Euphorie geläufig sein.

- 70er Jahre -

Sasori (Teil 1-3)  
Shun’ya Itō -1972-1973

Der Klassiker des „niveauvollen“ japanischen Exploitation-Kinos der 1970er Jahre. Der herrlich böse Blick Sasoris sticht auch heute noch dem männlichen Zuschauer in den … .

Lone Wolf & Cube (Kozure Ōkami) (Teil 1-6)

Ein Exploitation-Chambara-Klassiker wie er sein sollte: Gnadenlose Schwertkämpfe, Blutfontänen, moralische Abgründe und eine stilistisch überhöhte Bildsprache

Im Reich der Sinne (Ai no Korīda) 
 Nagisa Oshima - 1976 

Zu seiner Zeit war Im Reich der Sinne ein skandalumwittertes Werk, das Oshima nachdrücklich in das Bewusstsein westlicher Bildungsbürger drängte. Heute wirkt der Skandal abgestanden, es bleibt daher abzuwarten ob auf lange Sicht Oshimas in Europa weniger bekannte Frühwerke nicht die größere Wirkung entfalten werden.
- 80er Jahre -

Die Familie mit dem umgekehrten Düsenantrieb 
(Gyakufunsha kazoku)

Die japanische Durchschnitts-Familie am Abgrund. Eine herrlich überdrehte Eskalations-Komödie. Einer der witzigsten japanischen Filme die ich kenne.


Kikis kleiner Lieferservice (Majo no Takkyūbin)  
Hayao Miyazaki - 1989

Vielleicht nicht der bedeutendste, epischste, erfolgreichste Film Miyazakis, aber mit seiner sympathischen Heldin, seiner klaren erzählerischen Struktur und seiner heiter sentimentalen Grundstimmung einfach mein Liebling.

Mein Nachbar Totoro (Tonari no Totoro)  
Hayao Miyazaki -1988

Miyazakis schönster Kinderfilm und der Kritiker/Publikums-Erfolg der Ghibli zum bekanntesten Trickstudio Japans machen sollte. Insgesamt erzählerisch runder und ausgewogener als die späteren ebenfalls großartigen Mononoke und Chihiro.

- 90er Jahre -

Ghost in the shell (Kōkaku Kidōtai)  
Mamoru Oshii - 1995

Ein moderner Klassiker des Cyber Punk und der Anime mit dem vielleicht größten praktischen Einfluss auf das westliche Filmschaffen.

Yentown (Swallowtail)  
Shunji Iwai -1996

Ja, was soll ich sagen, ich habe mich einfach in diese herrlich bitterböse, vor ätzender Kapitalismuskritik triefende und dennoch romantische Tragikomödie verliebt.

Hana-Bi (Feuerblume)  
Takeshi Kitano - 1997

Der trockene Humor, die stoisch vorgetragene Gewalt, die tiefe Melancholie, die ausgereifte kühle Ästhetik machen für mich Hana-Bi zu Kitanos bestem Film. Hana-Bi half den angeschlagenen Ruf des japanischen Kinos im Westen wieder herzustellen.

- 00er Jahre -

Nobody Knows (Dare mo shiranai)  
Hirokazu Koreeda - 2004

Eine erschreckend real wirkendes Sozialdrama über die Vereinsamung in der Großstadt, dessen gnadenlose Anonymisierung alle Menschlichkeit erstickt.

Hana yori mo naho  
Hirokazu Koreeda - 2006

Unter den modernen Widerbelebungsversuchen des Jidai-Geki ist dies mein besonderer Liebling. Ein regelrechter Anti-Chambara-Streifen der Actionfreunde mit einem ratlosen Gähnkrampf zurücklassen dürfte. Ich genoss einfach die sanfte Schönheit der Bilder, die zarte Romantik, den leichtfüßigen Humor, die tiefe Menschlichkeit die jede Pore dieses Filmes atmet.

  Love Exposure  
Sion Sono - 2008

Tja, wer hätte das Gedacht und dabei war ich nach überlangen Gurken wie z.B. Suicide Circle ziemlich skeptisch ob er einen 4 Stunden Film stemmen könnte. Sion Sonos Meisterstück vereint alles was das schräge moderne japanische Extrem-Kino so skurril und berüchtigt in der Welt macht (vgl. z.B. Miike) und verbindet diese Zutaten traumwandlerisch mit einer zarten Liebesgeschichte, wahrhafter Spiritualität, innerer Größe und Epik. Dinge die eigentlich unvereinbar erscheinen werden hier verrührt und ergeben, fast unglaublich, keinen ungenießbaren Brei sondern ein herrlich verwobenes Gesamtkunstwerk.

Jidai-geki - Der Japanische Historienfilm


Eine Auflistung (nach Regisseuren alphabetisch) aktuell in Deutschland erhältlicher Jidai-geki (zum Teil nur mit englischen Untertiteln):

Toshiya Fujita (1932-1997)

Lady Snowblood (1973) 8/10

Ein Vorbild für Tarantinos Flickenteppich Kill Bill - Optisch einer der schönsten Beiträge des gesamten Genre - Inhaltlich solide Durchschnittskost der damals schon weitgehend ausgelutschten Racheepen.

Lady Snowblood 2 - Love Song of Vengeance (1974) 5/10

Der zweite Teil ist in jeder Beziehung eine Enttäuschung - Nur für fanatische Fans des Genre zu empfehlen!

Hiroshi Inagaki (1905-1980)

The Samurai Trilogy 7/10
* Samurai I: Musashi Miyamoto (1954)
* Samurai II: Duel at Ichijoji Temple (1955)
* Samurai III: Duel at Ganryu Island (1956)

Miyamoto Musashis Lebensgeschichte - Oscar für den besten fremdsprachigen Film - Aufwendig in Farbe produziert - Wirkt heute etwas altbacken - Mifune ist aufgrund seines Alters leider fehlbesetzt.

Takeshi Kitano (1947-…)

Zatoichi - Der blinde Samurai (2003) 8,5/10

Widerbelebung eines Mythos - Kitanos schräge Auferstehung des blinden Masseur Zatoichi - Eine amüsante eigenwillige Variation des Stoffes.

Masaki Kobayashi (1916-1996)

Kwaidan (1964) 9/10

Vier japanische Geistergeschichten - Ein optischer Augenschmaus - Vor allem die ersten beiden Segmente wissen zu begeistern.

Samurai Rebellion (1967) 9,5/10

Ein rundum gelungener Höhepunkt des Genre - Ein stolzer Samurai und sein Sohn widersetzen sich den unmenschlichen Befehlen ihres Daimyo und riskieren den blutigen Untergang ihrer Familie.

Hirokazu Koreeda (1962-…)

Hana - Hana Yori Mo Naho (2006) 9/10

Eine wunderschön photographierte und humorvoll erzählte, leichtfüßige Alternative zu den jüngsten auf billige Schauwerte setzenden Actionspektakeln (Azumi u.ä.) des Genres.

Kei Kumai (1929-2007)

Das Meer kommt (2002) 6,5/10

Nach einer Idee Akira Kurosawas entstand dieses etwas schnulzige (aber durchaus schön bebilderte) Melodram im Prostituierten-Milieu der Edo-Zeit.

Akira Kurosawa (1910-1998)

Rashomon (1950) 10/10

Der Film der das Tor für den japanischen Film in den Westen aufstieß - Vier Versionen eines Verbrechens - Von der Subjektivität der Erinnerung.

Die sieben Samurai (1954) 10/10

Kurosawas unerreichtes Meisterwerk - Die Referenz des Genres!

Das Schloss im Spinnwebwald - The throne of blood (1957) 10/10

Macbeth auf Japanisch – Kurosawa kennt seinen Shakespeare – die vielleicht beste Verfilmung des Stoffes.

Die verborgene Festung - The Hidden Fortress (1958) 9,5/10

Ein Goldschatz, zwei Halunken, ein General und eine Prinzessin - Immer noch ein großartiger Abenteuerfilm und ein unterhaltsamer Höhepunkt des Genres.

Yojimbo - Der Leibwächter (1961) 9,5/10

Der Kurosawaklassiker, der den Italowestern erst möglich machte

Sanjuro (1962) 8,5/10

Der Leibwächter kehrt zurück – erreicht nicht ganz die Qualität des Vorgängers

Rotbart (1965) 9,5/10

Rotbart gehört zu den vergessenen Meisterwerken Kurosawas - Ein junger aroganter Mediziner der Edo-Zeit lernt was es heißt ein richtiger Arzt zu sein - Mifunes letzte Zusammenarbeit mit Kurosawa.

Kagemusha - Der Schatten des Kriegers (1980) 8,5/10

Kurosawas "Kostümprobe" zu RAN - Die Handlung vermag der grandiosen Optik nicht zu folgen.

Ran (1985) 10/10

Das Chaos regiert - Kurosawas düstere Endzeitvision einer Welt in Auflösung - King Lear und eine alte japanische Legende waren das Vorbild für Kurosawas besten Farbfilm - Sein letztes Meisterwerk.

Kenji Misumi (1921-1975) & Buichi Saito, Yoshiyuki Kuroda

Lone Wolf & Cub – Okami (Teil 1-6) (1972-1974) 8/10

Ein mysteriöser Samurai, der abtrünnige Scharfrichter des Shogun, wandert mit einem Kinderwagen durch das historische Japan - Blutiges Genrespektakel, mit schwankender Qualität der Filme der Reihe.

Kenji Mizoguchi (1898-1956)

The Life Of Oharu (1952) 10/10

Unter den späten Mizoguchis ist dies mein Lieblingsfilm - Die tragische Lebensgeschichte einer japanischen Frau die an den starren Gesellschaftsstrukturen zerbricht.

Ugetsu Monogatari (1953) 9,5/10

Erzählungen unter dem Regenmond - Drama, Geister- und Liebesgeschichte - Mizoguchi verwebt zahlreiche Elemente zu einem Meisterwerk.

Sansho Dayu (1954) 8,5/10

Sklaverei im japanischen Mittelalter - Zwei Fürstenkinder erleiden Jahre der Zwangsarbeit - Ein weiteres spätes Meisterwerk Mizoguchis.

Shunichi Nagasaki (1956-…)

Black Belt (2007) 7,5/10

Ein ungewöhnlicher Genrebeitrag der mit laienschauspielernden Karatemeistern in schönen Bildern einen klassischen Kampfsportplot im historischen Ambiente abliefert - Für Fans echten Karates!

Hiroyuki Nakano (1958-…)


Samurai Fiction (1998) 8/10

Ein moderner (durchaus gelungener) Jidai-Geki der sich eng an seine klassischen Vorbilder anlehnt - Im direkten Vergleich mit den Klassikern des Genre wird dennoch deutlich was wir verloren haben.

Yukio Ninagawa (1935-…)

Kwaidan - Das Herz des Samurai (2004) 7,5/10

Im Sog des Erfolges von Yamada Yōjis "Samurai der Dämmerung" erblickte auch dieser leidlich gelungene Genrebeitrag das Licht der Leinwand - Für Fans durchaus sehenswert!

Kihachi Okamoto (1923-2005)


Samurai Assassin (1965) 9/10

Samurai Assassin" ist neben "Sword of doom" Okamotos bester Jidai-Geki - Einer der großen Klassiker des Genres.

Kill (1968) 8/10

Ein wirklich guter Genrebeitrag Okamotos - Stark beeinflusst von Kurosawa und Italowestern - Erreicht nicht ganz die mysteriöse vibrierende Atmosphäre von "Sword of Doom".

The Sword of Doom (1966) 8,5/10

Neben "Samurai Assassin" Okamotos bester Jidai-geki - Ein mysteriöser Kamigleicher Schwertkämpfer mordet sich scheinbar ziellos durch das späte zerfallende Tokugawa-Shogunat.

Zatoichi Meets Yojimbo (1970) 4/10

26 Mal schlüpfte Katsu Shintarō in die Rolle Zatoichis - Nicht alle Teile der Serie wiesen ein gleich gutes Niveau auf.

Nagisa Ōshima (1932-…)

Gohatto (1999) 7,5/10

Oshimas letztes späte Genrebeitrag - Die Thematik "Homosexualität" ist für das Genre des Jidai-geki durchaus ungewöhnlich.

Masahiro Shinoda (1931- …)

Assassination (1964) 9,5/10

Die Endzeit des Tokugawa-Shogunats - Japan ist ein politischer Hexenkessel - Absoluter Meilenstein des Genres - Stilistisch eine Augenweide, die komplexe Handlung benötigt aber mehr als eine Sichtung.

Silence (1971) 8/10

Die frühe Edozeit - In Japan wütet die Christenverfolgung - Scorsese plant ein Remake dieses Klassikers - Wäre nicht das erste Mal, dass eine asiatische Vorlage westliche Filmemacher inspiriert.

Gonza The Spearman (1986) 8/10

Masahiro Shinodas später Genrebeitrag gewann 1986 eine silbernen Bären - Ein gelungener ästhetischer Film - Neben "Assasination" und "Silence" Shinoda Masahiros bekanntester Jidai-Geki.

Kaneto Shindō (1912-…)

Onibaba (1964) 10/10

Da werden Weiber zu Hyänen - Mit einfachsten Mitteln erschuf Shindō Kaneto eine seltsam vibrierende, sexuell aufgeladene Atmosphäre, in der der Mensch mit dem Schilfdschungel verschmilzt.

Kuroneko (1968) 8/10

Shindō Kanetos "Kuroneko" bietet eine klassische Geistergeschichte - Optisch ein Augenschmaus - Die Erzählstruktur weist aber einige Löcher auf.

Katsu Shintarō (1931-1997)

Hanzo the Razor - Sword of Justice (1972) 8/10
Hanzo the Razor - The Snare (1973) 7/10
Hanzo the Razor: Who's Got the Gold? (1974) 6/10

Katsu Shintarō war ebenso verantwortlich für diesen bizarren Genreklassiker - Achtung! - Die abartigen Ermittlungsmethoden des Polizeiinspektor Hanzo stehen nicht im Einklang mit den Menschenrechten.

Zatoichi - The Blind Swordsman (1989) 8/10

Katsu Shintarōs letzter Auftritt als Zatoichi - Der legendäre blinde Masseur zeigt ein letztes Mal in klassischer Besetzung warum er zur Legende wurde.

Yojiro Takita (1955-…)

The Last Sword - Der letzte Feldzug der Samurai (2003) 6,5/10

Die Wölfe von Misu - Ein besseres Beispiel der modernen Wiederbelebungsversuche des Genre - Das letzte pathetische Drittel stört empfindlich den positiven Anfangseindruck.

Sadao Yamanaka (1909-1938)

Humantiy & Paper Balloons (1937) 9/10

Ein Klassiker des leider viel zu früh verstorbenen Sadao Yamanaka. Beschrieben wird (auf ruhige berührende Weise) das einfache und zuweilen trostlose Leben in einer ärmlichen Gasse einer japanischen Großstadt der Edo-Zeit.

Kimiyoshi Yasuda (1911-…)

Zatoichi Meets the One Armed Swordsman (1971) 8,5/10

The One Armed Swordsman zählt eindeutig zu den besten Streifen der Zatoichi-Saga.

Yamada Yōji (1931-)

Twilight Samurai - Samurai der Dämmerung (2002) 8,5/10

Yamada Yōjis erster Teil seiner lose zusammenhängenden Samuraitrilogie - Eine moderne Neuinterpretation des Genres - Nicht unbedingt etwas für Actionfans.

The Hidden Blade (2004) 8/10

Yamada Yōjis zweiter Teil seiner Samuraitrilogie - Alle drei Teile spielen in der aufwühlenden Epoche der Meiji-Restauration - Endzeit für den traditionellen Samuraistand.

Love and Honor - Liebe und Ehre (2006) 8/10

Yamada Yōjis dritter Teil seiner Samuraitrilogie - Etwas rührselig vielleicht, aber dennoch ein Höhepunkt des modernen Jidai-geki.

Samstag, 27. März 2010

Blame! (8/10)

Askese des Schweigens

Schon auf den ersten Seiten umfängt den Leser eine geradezu lähmende Sprachlosigkeit, eine fröstelnde Kälte, drastisch verstärkt durch die abweisend futuristische Architektur. Eine Welt des Individuums, die kaum wirkliche Beziehungen zwischen den Personen zulässt. Die Isolation der Protagonisten (allen voran der Held (?!) Killy) scheint fast vollkommen. Das nicht Vorhandensein der Sprache ist hierfür das deutlichste Symptom!
Gerade die extrem minimalistischen Dialoge zeichnen Blame aus, die Reduzierung der Kommunikation auf geradezu mikroskopische Partikel, das absolut Elementare. Die Personen haben sich kaum etwas zu sagen, meist nichts außer Gewalt und Schmerz. Die sonst allzu oft eine Scheintiefe vortäuschende breiige Philosophiegestammel anderer Manga (z.B. Eden) fehlt hier daher vollständig. Eine angenehme Abwechslung.

Der dank einer Superwaffe letztendlich unbesiegbare Killy, taumelt durch die verschiedenen ebenen des gigantischen Technikfriedhofes, scheinbar unberührt von den Tragödien die sich auf Schritt und Tritt um ihn ereignen, ein ständiger Zerfall auch der letzten mühsam aufrechterhaltenen Ordnung. Er verfolgt stringent nur seine eigenen ominösen egoistischen Ziele, benutz die Personen auf die er trifft soweit möglich für seine eigen Pläne, hilft ihnen wenn es ihm Vorteile verschafft. Die rätselhaften Netzwerkgene sind alles was ihn wirklich interessiert.

Diese Welt ist eine alptraumartige Vision einer nicht näher zu spezifizierenden fernen Zukunft, in der die westlich geprägte Weltordnung auf ihre prähistorischen Wurzeln zurückgeworfen wurde. Das Recht des Stärkeren dominiert den Alltag, eine anarchistische Ordnung ersetzt jede höhere gemeinsame Moral. Staaten oder ähnliches existieren nicht, archaische Gemeinschaften bestimmen das menschliche Zusammenleben, eine primitive Gesellschaft vor dem Hintergrund eines gigantischen Technikfriedhofes von dem nicht klar ist wer ihn und zu welchem Zweck errichtet hat. Durch den geringen Informationsfluss fühlt sich der Leser wie ein stiller Teilhaber an Killy's Wanderung, an dessen Schultern man sich verzweifelt festkrallt, eine unbekannte Welt wird entdeckt, von der Killy ebensoviel weiß wie wir als Leser selbst. Es existiert keinerlei Wissensvorsprung des Lesers, die Handlung spielt immer in der Gegenwart. Der nächste Augenblick bleibt stets ein dunkles schwarzes Loch von dem nie klar ist welche erschreckende Überraschung sich hinter der nächsten Ecke verbergen mag. Gerade aus dem absoluten " Jetzt" der Geschichte entwickelt sich ein großer Teil des besonderen Reiz von Blame. Der Leser wird mitgerissen, dass ihm keine Zeit bleibt zu überlegen was das alles zu bedeuten hat.

Bei der Gestaltung der Panelsequenzen wird deutlich das Nihei noch keine ganz schlüssige Bildsprache gefunden hat. Die oftmals verwirrende Abfolge von Bildfetzen, kann auch nach mehrmaligem konzentriertem Betrachten nicht vollständig entschlüsselt werden. Gerade die Actionszenen verwirren stellenweise derart, dass nicht klar wird was eigentlich passiert und erst hinterher lässt sich dies vom Leser mühsam rekonstruieren. Der größte Schwachpunkt des Werkes.

Ein trotz einiger Schwächen suggestiv wirkender Bilderrausch, der keiner Worte bedarf, um den Leser in seinen Bann zu ziehen. Die nur langsam häppchenweise offenbarten Hintergründe der Welt, lassen den Leser mit steigender Neugier zurück, denn eine Frage quält ihn von Band zu Band immer stärker: "Was zum Teufel soll das alles eigentlich?"
Kein Manga für Einsteiger, aber eine faszinierende, stellenweise experimentell wirkende Innovation, die von diesem begabten Zeichner zukünftig noch weitaus mehr erwarten lässt.

Kagemusha - Der Schatten des Kriegers (8/10)


Im Schatten Kurosawas

Von einigen Landsleuten als der westlichste aller japanischen Regisseure bezeichnet, galt
Akira Kurosawa lange Zeit mehr im Ausland als in Japan selbst. Merkwürdig, da er gerade im Westen als Vertreter des speziell japanischen Kinos gefeiert wurde. Und wirklich verstand er es beide Welten wie nur wenige in seinen Werken zu verweben. Immer wieder mischte er europäische Stoffe (Dostojewski, Shakespeare, die Western John Fords) und Erzählstil mit japanischer Ästhetik und Samuraikultur.

Mit seiner visuell und ästhetisch revolutionären Filmkunst beeinflusste er unzählige westliche Regiegrößen. Von "Die glorreichen Sieben" (nach "Die Sieben Samurai"), über "Für eine Handvoll Dollar", "Last man standing" (nach "Yojimbo") bis zum "Krieg der Sterne" regte er zu einer Reihe von westlichen Remakes an und beeinflusste maßgeblich die Darstellung von Massenszenen und Schlachten, von Dynamik und Bewegung im Film. Seine suggestive durchkomponierte Bild und Farbensprache, die organische Verbindung von Landschaft, Himmel und Erde und dem darin sich verlierenden, verschmelzenden Individuum, blieb bisher einzigartig in der Geschichte des Kino.

Die von Kurosawa porträtierten Menschen scheinen immer wieder einem unausweichlichem Schicksal ausgeliefert und offenen Auges rennen sie in ihr Verderben, unfähig der Katastrophe zu entgehen. Diesem Muster verleiht er in "Kagemusha" eine besonders bedrückende Intensität.
Das feudale Japan im 16 Jahrhundert, der geniale Heerführer Takeda Shingen triumphiert in vielen Schlachten und träumt davon in die alte Kaiserstadt Kyoto zu marschieren, um den Tenno zu zwingen ihn zum Diktator, zum Shogun ganz Japans zu erheben. Nichts und niemand scheint diesem Fürsten des Krieges bei der Verwirklichung dieses Zieles gewachsen zu sein, allein das Wissen um seine Präsenz treibt die feindlichen Krieger in die Flucht. Die Verkörperung des unbesiegbaren Samurai schlechthin. Doch dann passiert das Unfassbare, die einzelne Kugel eines Scharfschützen trifft ihn tödlich, der Vorbote einer militärischen Revolution, der Einführung der Schusswaffen. Die Berater des Fürsten sind bestürzt, denn sie wissen das nur die Person des Toten, sein legendärer Ruf als unbesiegbarer Feldherr, das Fürstentum vor dem Machthunger der anderen Daimyos schützt. Ohne den furchtbereitenden Namen würden rasch die übrigen Fürsten des Reiches über sie herfallen und sie vernichten (allen voran der von Ehrgeiz getriebene Nobunaga und der junge Ieyasu dem späteren Begründer des Tokugawashogunats). In ihrer Not versuchen sie einen genialen Schachzug. Sie nehmen einen Doppelgänger, einen Dieb der dem Fürsten verblüffend ähnlich sieht. Nach anfänglichen Schwierigkeiten schlüpft er so perfekt in die Rolle des charismatischen Heerführers das selbst die Berater seiner herrschaftlichen Ausstrahlung erliegen. Der Geist den sie riefen, die Marionette, entwächst ihren Schöpfern und selbst auf dem Schlachtfeld erweist sich sein bloßer Anblick als siegentscheidend.

Doch letztlich steigt der Erfolg dem "Schatten" zu Kopf und er "stolpert" über das Pferd des Toten, das Tier lässt sich nicht täuschen, das Kartenhaus fällt zusammen.
In der gewaltigen Schlusssequenz kulminiert der Film schließlich in einer Symphonie des Untergangs und das mittelalterliche Heer, das feudale Japan versinkt im Feuer der Musketenkugeln. Das goldene Zeitalter des Samurais findet sein abruptes und blutiges Ende.

Dieses von Francis Ford Coppola und Stephen Spielberg produzierte Meisterwerk, einem der teuersten japanischen Filme bis heute, ist der Vorbote für den absoluten Höhepunkt in Kurosawas schaffen, der Apokalypse von "Ran".

Chihiros Reise ins Zauberland (9,5/10)


Chihiros Reise - Ein Film zum Träumen

Hatte Miyazakis "Prinzessin Mononoke" aufgrund stellenweise westlichen Sehgewohnheiten entgegenstehenden (für einen westlichen Zeichentrickfilm ungewöhnlichen) Gewaltdarstellung keine Chancen bei uns breitere Aufmerksamkeit zu ernten, gelang diesem weitaus unblutigeren (aber dennoch gleichermaßen beunruhigende Bilder heraufbeschwörenden) Werk der japanischen Animationsschmiede Ghibli zumindest die Anerkennung der weltweiten Filmkritik (Goldener Bär 2002 und den Oscar für den besten Animationsfilm 2003).

Der Film bietet ein schier unerschöpfliches Kaleidoskop an japanischern Göttern, Geistern und Dämonen, die dem Zuschauer aber nicht geläufig sein müssen um dem Bildersturm der Handlung folgen zu können. Fantasie die so ganz anders ist als die ausgetretenen Pfade der kommerziellen Diarrhö des Hauses Disney (Weichgespülte kantenlose Zeichentrickmusical, jeder unangenehmen Würze beraubt, dem kommerziellen Diktat unterworfen).

Chihiro zieht mit ihren Eltern in eine neue Stadt. Unglücklich musste sie ihre alte Schule und Freunde verlassen. Auf dem Weg zu ihrem neuen Zuhause verfährt sich der Vater im Wald und dabei stoßen sie auf einen seltsamen verlassenen Ort der an eine Art Vergnügungspark erinnert.
Ohne zu überlegen stürzen sich Vater und Mutter auf dort scheinbar herrenlos herumstehende Speisen und verschlingen diese in hastiger Gier. Chihiro weigert sich angewidert von dem Essen zu kosten und erkundet lieber allein die seltsamen Gassen des Parks. Als es dunkel wird und sie erkennt das geisterhafte Wesen aus den Schatten hervordrängen läuft sie zu den Eltern zurück, entsetzt findet sie diese jedoch in Schweine verwandelt. Mit keinem Geld ihrer materiellen Welt können sie den Preis bezahlen den es kostet von den Speisen der Götter zu stehlen! Panisch versucht sie zu fliehen, doch zu spät, die Nacht bricht herein und sie ist an diesem seltsamen angsteinflößenden Ort gefangen. Mit Haku, einem Jungen kaum älter als sie, trifft Chihiro auf einen Führer der ihr hilft sich in dieser ganz eigenen Gesetzen unterworfenen Schattenwelt zurecht zu finden. Yubaba, eine seltsame Hexe, ist die Herrin dieses bizarren Gasthauses der Götter. Nur wer Arbeit hat, hat an diesem Ort auch das Recht zu Leben (Eine Kritik an den reichen Industriegesellschaften?!). So fügt sich Chihiro in ihr Schicksal und tauscht ihren Namen gegen eine Stelle in den Diensten der Hexe ein. Dort hofft sie einen Weg zu finden ihre Eltern, die mittlerweile zu den übrigen Schweinen in die Ställe des Gasthauses getrieben wurden zu retten. Doch erst muss sie zahlreiche Hindernisse in dieser seltsam bunten irrealen Welt überwinden bevor sie ihrem Ziel näher kommen kann.
Hier gibt es kein eindeutiges Schwarz und Weiß, kein Gut oder Böse. Die als gerissene Unternehmerin auftretende Hexe ist gleichzeitig eine rührende Mutter die ihr "Riesenbaby" maßlos verwöhnt. Das Ohmgesicht, ein stummer Dämon, ist freundlich und hilfsbereit gegenüber Chihiro und dennoch ein sich von der Gier anderer ernährendes Monster zugleich. Selbst Haku ihr neuer Freund verbirgt noch eine andere dunklere Seite...

Chihiro schafft es spielend die meisten der leider allzu oft vor abgedroschener Klischeehaftigkeit triefenden Fließband-Animes Japans (Welch ein Potential werfen die japanischen Trickstudios da vor die "Säue") qualitativ weit in den Schatten zu stellen.
Keine Beine bis zum Kinn, keine pädophilen Männerträumen entsprungene Frauengestalten, kein im luftleeren Raum schwebendes, philosophisch aufgeblähtes Gequatsche. Normale menschliche Proportionen (wenn man mal von dem unüberschaubaren Gewusel abnormer Wesenheiten absieht, die diese magische Welt bevölkern) und lebendige Dialoge.
Somit ist Chihiros Reise einer der Filme der endlich mit dem uralten Vorurteil des westlichen Kinos aufräumen kann, dass Zeichentrick nur Kinderkram ist ("solch ein Unsinn kann doch keinen Erwachsenen ernsthaft interessieren"). Denn von dem hier hervorblitzenden Niveau an erwachsener Phantasie könnten sich selbst die allermeisten Realfilme des Gegenwartskino mehr als eine Scheibe abschneiden. Eine dichte an kreativer Ornamentik die einem den Atem zu rauben vermag!

Ein Film für jung und alt (wenn auch nicht für die ganz Kleinen). Geeignet für Kinder ab ca. 8 Jahren, da er in seiner vor verschachtelten Metaphern überquellenden Bildsprache höhere Ansprüche an den Zuschauer stellt, als alle Disneytrickmärchen der letzten 70 Jahre zusammen. Und gerade deshalb ist es auch bestimmt kein harmloses Filmchen vor dem die Eltern ihre Sprösslinge einfach bequem parken können, um sich dann anderen "erwachsenen" Dingen zu widmen. Auf derart wehmütig stimmende schöne Kinomärchen muss der Zuschauer, ob im Realfilm oder Zeichentrick, sehr lange Zeit warten.

Shogun (8/10)

Die Vision eines feudalen Hochglanzjapans

Gerne, in nostalgischen Gefühlen schwelgend, erinnere ich mich an diese aufwendig produzierte Miniserie. Ein Höhepunkt der Fernsehunterhaltung der achtziger Jahre.
Voller Faszination verfolgte ich als Kind die Abenteuer des John Blackthorne (Richard Chamberlain), dem englischen Navigator einer holländischen Flotte. Bangte mit ihm bei seinem Schiffbruch an fernöstlicher Küste, tauchte an seiner Seite ein in eine fremde Kultur, begeistert von seinem Aufstieg vom rechtlosen Gefangenen, verrottend in einer Erdgrube, zum Samurai und Admiral der Flotte des Daimyo Toranaga (nach dem historischen Vorbild Tokugawa Ieyasu).

Die Handlung der aufwendig produzierten TV-Serie spielt zu einer Zeit des Umbruchs. Die rivalisierenden europäischen Seemächte schicken sich an die Welt endgültig unter sich aufzuteilen, Jesuiten und Spanier sondieren die Möglichkeit auch Japan unter ihre Kontrolle zu bekommen. Doch hier treffen sie auf eine Hochkultur die ihnen ebenbürtig, ja in manchen Belangen sogar überlegen scheint.
Kurz nach dem Tode des Taiko (historisch Toyotomi Hideyoshi) droht das durch Militärdiktatur geeinte Inselreich wider in Chaos zu versinken. Der junge Erbe des Taiko hat soviel Chancen die Herrschaft des Vaters zu übernehmen, wie ein Schneeball die Glut eines Schmelzofens übersteht (Jahre später wird er und seine Mutter vom Shogun zum Selbstmord gezwungen), denn Toranaga, der Herr von Edo dem späteren Tokio, strebt nach der absoluten Macht, möchte vom Tenno zum Shogun (Diktator) ganz Japans erhoben werden. Dafür sind ihm alle Mittel recht, doch noch bewart er den Schein und gibt vor die Erbfolge zu akzeptieren. In diesen Hexenkessel aus Intrigen und Verrat strandet der von persönlichem Ehrgeiz und Erfolgsgier getriebene John Blackthorne.
Und über allen Köpfen schwebt das Damoklesschwert des Bürgerkrieges.

Einige der handelnden Personen gehen auf reale historische Persönlichkeiten zurück, selbst von einem Engländer (historisch William Adams) in den Diensten des echten "Toranagas" (historisch Tokugawa Ieyasu) wird berichtet. Mit den geschichtlichen Fakten nimmt es die Serie aber ansonsten nicht unbedingt genau. So ist der historische Fürst Ieyasu vor allem skrupelloser Machtpolitiker, der ohne Rücksicht auf das Leben anderer seine eigenen dynastischen Ziele verfolgte (die rein positive Überhöhung seiner Person entspricht aber durchaus der japanischen Sicht auf diese Epoche). Die herrschaftliche Ausstrahlung des Tokugawa-Fürsten wird übrigens perfekt durch den unvergessenen Altmeister Toshiro Mifune verkörpert.
Die Einführung der Feuerwaffen in die japanische Kriegsführung erfolgte auch nicht erst durch Blackthorne, sondern geschah schon gut ein halbes Jahrhundert zuvor. Und für historische Puristen ließen sich hier noch zahllose weitere Ungereimtheiten aufzählen.

Als Kind war ich zunächst von der Darstellung japanischer Samuraikultur geblendet. Erst viel später, bei näherer und kritischerer Betrachtung erkannte ich, dass das hier gezeichnete Bild deutlich idealisiert ist und oftmals weit an der wenig ästhetischen Realität vorbei geht. Zwar wird am Rande auch auf die negativen Seiten einer streng hierarchisch organisierten Gesellschaft aufmerksam gemacht, auf den Todeskult, die Wertlosigkeit des Lebens des einzelnen (bei jeder Form des Gesichtsverlust scheint nur einen Ausweg zu geben, Sepukku, rituellen Selbstmord), doch die Darstellung erfolgt doch eher auf eine ästhetisch überhöhende Weise, womit die Serie mitunter Haarscharf an der Verherrlichung dieser blutigen Rituale vorbeischrammt. Das der zum Großteil erst viel später entwickelte Ehrenkodex des Samurai eher ein unerreichtes ritterliches Ideal blieb (dass vielmehr Feigheit, Lüge und Verrat auch unter Samurais alltägliche Dinge und keine Ausnahme waren) wird hier weitgehend unterschlagen.

Zu dem Zeitpunkt während der die Serie spielt erholte sich Japan immer noch von jahrhundertelangen Bürgerkriegen, die erst Oda Nobunaga (der Vorgänger des Taiko) rund 30 Jahre zuvor blutig beendet hatte. Die japanische Samuraikultur war damals vor allem eine Kultur des Krieges, der Gewalt, und hatte zumindest für das einfache Volk nichts mit der geleckten Reinheit der Teezeremonie zu tun (die zudem erst durch den Teemeister des Taiko Sen no Rikyu in heutiger Form entwickelt wurde). Hunger und Elend, Willkür feudaler Herrschaft, bestimmten den Alltag der Bevölkerung. Erst in den kommenden Jahrhunderten der erzwungenen Einheit (und Isolation) erholte sich die japanische Kultur und erreichte den von dieser Fernsehserie zelebrierten Standard.

Obwohl die Welt des Japans um 1600 stark idealisiert dargestellt und es mit historischer Wahrheit nicht unbedingt genau genommen wird, ist "Shogun" ein bunter Bilderbogen der japanischen Feudalkultur, so wie sie die Japaner wohl selbst am liebsten verklären würden.
(Viele der "Fehler" der TV-Produktion sind aber schon der Romanvorlage Clavells anzulasten.)
Die spannende Entwicklung der großteils fiktiven Handlung, das muntere Intrigenspiel, fantastische Schauplätze, die für eine Fernsehserie der frühen 80er unglaublich aufwendige Ausstattung und Kostüme machen die ca. 9-stündige Serie zu einem Höhepunkt der Fernsehunterhaltung. Allein der herrlich arrogant majestätische Auftritt Mifunes als das Idealbild des Daimyo schlechthin, macht "Shogun" zu einem Erlebnis. Solide bis herausragende Darstellungen der übrigen Besetzung runden das Bild positiv ab (Shimada Yoko, John Rhys-Davies, Frankie Sakai, ...). Der an Samuraikultur interessierte Zuschauer sollte aber nicht die rosa Brille vergessen, mit der hier diese bewegte Epoche in Japans Geschichte eingefangen wurde.

RAN (10/10)


Chaos - Kurosawas Apokalypse

Trotz seiner vielen erfolgreichen Filme (Die sieben Samurai, Yojimbo, ...) gelang es Kurosawa ab Mitte der sechziger Jahre nicht mehr seine ambitionierten Projekte in Japan zu verwirklichen (die Studios versagten ihm die weitere Unterstützung). Gemeinsam mit befreundeten japanischen Regisseuren (den "4 Rittern") und privatem Kapital versuchte er darum vollkommen eigenständig Filme zu produzieren. Aufgrund der Thematik von Außenseitern der japanischen Gesellschaft entwickelte sich aber gleich sein erster Film zum totalen finanziellen Desaster. Im Bewusstsein seine Freunde in den Ruin getrieben zu haben unternahm Kurosawa einen Selbstmordversuch. Aus der Verzweiflung dieser persönlichen Krise konnte er sich zum Glück für alle Cineasten durch eine internationale Koproduktion (Japan/UDSSR) befreien und neue kreative Kraft schöpfen. "Uzala der Kirgise" gewann 1975 den Oscar für den besten fremdsprachigen Film.
Die Unterstützung ausländischer Bewunderer ermöglichte es ihm nach diesem Erfolg wieder groß angelegte Stoffe zu verfilmen. So entstanden 1980 "Kagemusha" und 1985 Akira Kurosawas bester Farbfilm und Höhepunkt seines Alterswerk, "Ran".

Seit Jahren schon an dem Drehbuch schreibend, erfüllt sich Kurosawa mit der Umsetzung seiner König Lear Fassung (nach Shakespeare) einen großen Traum. Doch sein Werk endet ungleich düsterer und hoffnungsloser als das europäische Original. Hier zeigt sich der tiefe Pessimismus, das abgründige Menschenbild das Kurosawa im Alter entwickelte. Die Schrecken des verheerenden Erdbeben von 1923, das Chaos des brennenden Tokios, die er als Kind unmittelbar erfahren musste, fließen scheinbar direkt in diese Untergangsfantasie. In "Ran" bietet er noch einmal sein ganzes Können auf, seine meisterhafte Fähigkeit der Massenchoreographie, der expressionistische Einsatz von Farbe, dir organische Verbindung von Landschaft, Himmel und Mensch. Wie sehr sich Kurosawa auch am (traditionell japanischen) Theater orientierte zeigen die fantastischen Kostüme von Emi Wada (Oscar 1985) und die deutlich geschminkten Darsteller, die in ihren erstarrten Gesichtern zuweilen an -Masken erinnern. Die Schauspieler verkörpern weniger Menschen als Archetypen, die direkt einer griechischen Tragödie vom Format der "Medea" entstiegen sein könnten. Dieser Eindruck wird durch die bis ins letzte Detail durchkomponierte Symmetrie der Bildsprache noch unterstrichen.
Besonders erwähnenswert an "Ran" ist auch der Farbcode des Films, der jedem Clan, den einzelnen Brüdern und Hauptdarstellern, eine eigene Primärfarbe (einzig der Hoffnarr, als Zerrspiegel der Welt, trägt Bunt) zuordnet. Ein Prinzip das von Zhang Yimou in seinem Martial Arts Epos "Hero" wieder aufgegriffen wurde. Die Musik von Toru Takemitsu, einem der renommiertesten Komponisten Japans im 20.Jahrhundert, transportiert und verstärkt perfekt die Endzeitstimmung, die tragische Melancholie, dieser filmischen Apokalypse.

Ein alter Fürst, der unzähligen Schlachten und des Erobern müde, möchte sich zur Ruhe setzten. Er übergibt seinem Ältesten die Macht und beschwört die Einheit seiner drei Söhne. Im Gegensatz zu den schmeichelnden Worten der beiden Älteren erregt sich der jüngste Sohn über die Naivität, die Dummheit des Vaters, wie er glauben könne, dass seine Söhne Frieden halten und ihm auch weiterhin den nötigen Respekt erweisen würden. Über die harten (aber wahren) Worte des Jüngsten außer sich, verstößt er diesen, nimmt ihm alle Rechte eines Sohnes.
Dann, nach kurzer Zeit beginnt das Unheil seinen Lauf. Denn die beiden anderen Brüder, ganz die Kinder einer kriegerischen grausamen Epoche, denken nur an die Erfüllung des eigenen Ehrgeiz. Ein weiterer Schatten der Vergangenheit tritt hinzu. Die Ehefrau des Ältesten ist die Tochter eines vom Großfürsten einstmals vernichteten Clans und sinnt immer noch auf blutige Rache. Der naive älteste Sohn, von seiner hasserfüllten Frau angestachelt, will den Vater zwingen sich ihm zu unterwerfen. In seinem Stolz gekränkt zieht dieser mit seiner ihm verbliebenen Leibgarde zur Burg des zweiten Sohns, doch auch dort wird ihm der angemessene Empfang verweigert, das Misstrauen ihm gegenüber ist zu groß, der Machthunger der beiden Söhne übermächtig. Statt nun zu seinem dritten Sohn zu gehen und um Vergebung zu bitten rennt der alte Fürst vom Stolz geblendet in sein Verderben. Nachdem er die verlassene Burg des Jüngsten besetzt hat, wird er von den vereinigten Heeren der beiden ältesten Söhne überfallen. Der visuell beeindruckendste Moment des ganzen Films, die stürmenden Samurai, die Berge von Leichen, Ströme von Blut, verbinden sich mit Rauch und Flammen der brennenden Burg, mit der düsteren Musik Takemitsus zu einem monumentalen Requiem. Alles, seine treuen Vasallen, die Konkubinen und Dienerinnen, sein Stolz und der Verstand verbrennen in diesem Alptraum menschlichen Wahns zu Asche. Allein zurückgelassen, zum Seppuku nicht fähig, da alle Schwerter zerbrochen liegen, verfällt der Fürst dem Irrsinn und wandelt wie ein lebender Toter durch die Trümmer seiner Existenz. Lediglich sein Hofnarr und ein letzter treuer Krieger bleiben bei ihm.

Doch hier endet die Geschichte noch nicht. Erst muss auch der letzte Bruder tot im Staube liegen, die letzte Hoffnung zertrümmert sein. Eine grelle Vision des Untergangs, ein Inferno aus Blut und Feuer. Zurück bleibt eine geschundene leere Welt, in Asche getaucht.

Gunslinger Girl (9/10)


In Melancholie versinken

Keine Mutanten, Dämonen, keine unbesiegbaren Mechas, Halbgötter, wie angenehm wohltuend. Diese Serie gab mir den Glauben zurück das "erwachsenere" Animeserien möglich sind. Die vordergründige Handlung lässt sich kurz zusammenfassen. Eine italienische staatliche Geheimorganisation die „Gesellschaft für soziale Wohlfahrt" wandelt an Seele und Körper verletzte Mädchen in Cyborgs um. Die Kinder führen unter Anleitung ihrer „Fratellos" Spezialaufträge (Morde, Antiterroreinsätze) durch. Im Gegensatz zur kalten technischen Abwicklung dieser Einsätze steht die orientierungslose Melancholie der zum Töten konditionierten Mädchen. Dieses amoralische Sujet erinnert nicht von ungefähr an Luc Bessons moderne Actionmythen „Nikita" und „Leon der Profi", wodurch das Ganze den surrealen Anstrich eines modernen Märchens annimmt.

Gerade das Fehlen eines aufdringlichen Handlungsfadens bei Gunslinger Girl empfinde ich als angenehm. Hinter der actionlastigen Fassade lauert stattdessen ein emotionales Minenfeld, das irrationale Sehnen nach Anerkennung und Liebe. Mit zunehmendem Verlauf der Serie wird es deutlicher, die Fixierung der Mädchen auf ihre Fratellos erweist sich als größte Achillesferse des ganzen Cyborgprojekts. Die unnatürlich intensive Bindung, ursprünglich dazu gedacht ihre Zuverlässigkeit und Loyalität zu sichern, um sie so effektiver unter Kontrolle zu behalten, führt bei den Cyborgs zu einer verzweifelten Zuneigung, die sie emotional an ihre „großen Brüder" kettet. Werden diese Gefühle mit Füßen getreten, führt dies bei den Mädchen zu abgründiger Verzweiflung, zu unkontrollierbaren selbstzerstörerischen Gewaltausbrüchen. So steht weniger das oberflächige vorantreiben einer Story im Mittelpunkt der Serie, als das Ausleuchten der komplexen Beziehungen der Mädchen zu ihren „Fratellos" und untereinander, das brüchige Seelenleben aller Protagonisten. Als besonders hervorragend empfinde ich es, dass keine weitschweifigen Erklärungen zu den Gefühlsgewittern abgegeben werden, sondern das wesentliche „Zwischen den Zeilen" vom Zuschauer selbst ertastet werden muss, und was der Zuschauer dort findet lässt ihn frösteln.

Gunslinger Girl bemüht sich bei der graphischen Umsetzung um einen hohen Grad an Realismus, Angefangen von der Architektur bis hin zur beinahe photorealistischen Darstellung der Waffen. Die zurückhaltend eingesetzten, überwiegend kalten Farben verstärken deutlich die düstere Stimmung, einzig das Rot sticht heraus und schreit vor unterschwelliger Aggression. Die Musik ist durchaus ansprechend und untermalt/verstärkt die emotionalen Schatten effektvoll, wenn auch ein wenig mehr Abwechslung gut getan hätte.

Insgesamt ist Gunslinger Girl für mich eine der besten Animeserien der letzten Dekade. Vor allem die besondere melancholische Atmosphäre im Zusammenspiel mit dem tragischen Schicksal der Mädchen zog mich in seinen Bann. Die zweite Staffel "Il Teatrino" erreicht nicht ganz diese emotionale Wucht und kann durch den Wechsel des Animationsstudios auch das hohe technische Niveau nicht halten. Das Charakterdesign nähert sich durch die engere Einbindung des Mangaka an die Comicvorlage an, was vielen Fans der ersten Staffel ebenfalls sauer aufstieß. Dennoch kann ich auch die zweite Staffel empfehlen. Aber mein besonderer Tipp gilt dem Manga Yu Aidas, der sich in den letzten Jahren ein erzählerisches und zeichnerisches Niveau erarbeitet hat, dass ihn zu einem der besten in Deutschland veröffentlichten japanischen Comics macht.

Samaria (9/10)


Erlösung

Kim Ki-Duk ist einer der Bildmagier des neuen Asiatischen Kinos. Seine Filme erreichen aber aufgrund seines leisen unaufgeregten Stils meist nur ein relativ kleines Publikum. Dennoch laufen seine Werke regelmäßig auf den europäischen Filmfestivals. Als Autodidakt hat er einige Jahre gebraucht um seinen Können zu entwickeln. Mit "Frühling, Sommer, Herbst, Winter und Frühling", "Bin Jip" und "Samaria" hat er seinen vorläufigen Zenit erreicht. Mit einfachsten Mitteln zaubert er menschliche Verzweiflung auf die Leinwand. Dabei geht Kim Ki-Duks weitaus weniger effektheischend vor als sein kommerziell erfolgreicherer koreanische Kollege Park Chan-Wook (Oldboy, Joint Security Area). Ich liebe es einfach in der bittersüßen Melancholie seiner Bilder zu ertrinken. Samaria, in drei Kapitel (Vasumitra, Samaria und Sonata) unterteilt, ist hierfür ein besonders gutes Beispiel.

Zwei befreundete Schulmädchen versuchen auf ungewöhnliche Weise sich den Traum einer Europareise zu finanzieren. Eine der beiden, Jae-Young, prostituiert sich. Ihre Freundin Yeo-Jin, vermittelt die Freier und hält Ausschau nach der Polizei.
Als Jae-Young bei der Flucht vor einer Polizeirazzia schwer verletzt wird, bittet sie Yeo-Jin darum einen ihrer Kunden zu holen, einen jungen Musiker, in den sie sich verliebt hatte. Sie wollte ihn vor ihrem Tod ein letztes mal sehen. Der junge Mann weigert sich jedoch, lässt sich erst durch eine entsprechende „Gefälligkeit" dazu überreden. Als beide beim Krankenhaus ankommen ist die Freundin schon Tod. Damit endet das erste Kapitel des Films.
Yeo-Jin beschließt die Ehre ihrer Freundin wieder herzustellen indem sie den Freiern ihr Geld zurückgibt und noch einmal mit ihnen schläft. So versucht sie die Schuld auf sich zu übertragen. Bei einer dieser Treffen wird sie durch Zufall von ihrem Vater beobachtet, einem Polizisten. Seine kleine Tochter, die er nach dem Tod seiner Frau ganz allein aufgezogen hatte, verkauft ihre Unschuld, er kann es nicht begreifen, eine Welt bricht für ihn zusammen. Der Vater glaubt nun die Ehre der Tochter, ihre Unschuld verteidigen zu müssen und begreift nicht die Unwiederbringlichkeit dieses Verlustes, die Irrationalität seines Versuches. Er stellt einige der Kunden zur Rede, setzt sie unter Druck. Nach und nach verliert er die Kontrolle. Die Verfolgung der Freier gipfelt schließlich in einen delierenden Gewaltausbruch. Durch seine Taten kann er sie nicht "retten", er verwahrlost, zerstört sich selbst.
Dann machen sich Vater und Tochter auf zu einer letzten gemeinsame Reise zum Grab der Mutter. Wer aber nun glaubt, die Handlung steuere jetzt auf einen unnötig gewaltsamen Schlusspunkt zu, irrt.

Die kontroverse Problematik der Schülerprostitution steht nicht, wie man zunächst vermuten könnte, im Mittelpunkt des Filmes, sie bildet nur den oberflächigen Aufhänger für den Verlust der Unschuld. Vielmehr durchzieht das religiöse Motiv der Erlösung, die Katharsis, den Film wie ein roter Faden. Zum Ende sind Vater und Tochter von ihrer Schuld befreit, doch dafür haben beide einen hohen Preis zu zahlen.
Die Schlussszene offenbart, zumindest nach meiner Auslegung, erst den Kern der Handlung. Der Vater lässt die Tochter zurück, entlässt sie in die Erwachsenenwelt, gibt seinen Besitzanspruch auf. Sie muss sich fort an allein in dieser kalten Welt zurechtfinden, ohne die schützende Hand des Vaters, die ihre Kindheit behütet hatte.

Der Film lebt vor allem durch die fröstelnd schönen Bilder der leeren Großstadt und der sich darin verlierenden Menschen. Großen Anteil an der besonderen melancholischen Stimmung von "Samaria" hat die Musik von Park Ji. Der Zuschauer begibt sich auf eine beinahe surreal wirkende Reise. Zu Recht gewann Kim Ki-Duk 2004 für diesen einfühlsamen kleinen Film den silbernen Bären für die beste Regie. Einmal mehr ein Beweis dafür, dass wirklich gute Filme keines großen Budgets bedürfen.

Planetes (7/10)


Weltraumabenteuer mit Bodenhaftung

Um das Jahr 2075. Milliarden große und kleine Objekte umkreisen als dichte Wolke die Erde und gefährden die Zukunft der Raumfahrt. Durch ihre hohe Geschwindigkeit durchschlagen selbst kleinste erbsengroße Schrottpartikel als Mikrometeoriten die Außenhülle von Weltraumfahrzeugen. Deshalb setzen die Raumfahrt betreibenden Großkonzerne „Spezialeinheiten" zur Entsorgung des Problems ein. Planetes begleitet eine dieser Sondereinheiten, die "heldenhaften" Weltraummüllsammler der Sektion Halb, bei ihren Alltagsproblemen...

Damit jetzt kein falscher Eindruck entsteht, die Serie nimmt sich nur halb so ernst wie es hier klingt. Gerade in den ersten Folgen dominieren noch deutlich die Comedyelemente.
Fans des Manga seihen hier also gewarnt, die Handlung und einzelne Charaktere weichen zum Teil erheblich von der Vorlage ab. Die Serie erreicht auch erst in den späten Folgen ansatzweise die emotionale Tiefe und die besondere menschliche Wärme des Manga. Dennoch ist es eine kurzweilige und unterhaltsame Ergänzung zu den Comic-Bänden von Planetes.

Planetes ist eine gelungene Animeserie in der (erstmals) ein halbwegs realistisches Bild des Weltalls geboten wird. Fans von abgedrehter Weltraumaction kommen hier also vielleicht nicht auf ihre Kosten. Vielmehr stehen die liebevoll schrägen Charaktere im Mittelpunkt. In den ersten Folgen dominieren Comedyelemente, der weitere Verlauf der Handlung stimmt aber deutlich ernstere Töne an.

Ghost in the Shell 2 - Innocence (8/10)


Innocence - Oshiis visuelles Meisterwerk

Lange hatte ich gewartet bis endlich der 2 Teil von Ghost in the Shell (Japan 2004) auch nach Deutschland kam. Aber das Warten hatte sich wirklich gelohnt. Mamoru Oshii konnte alle meine Erwartungen erfüllen, und das ist mehr als ich nach auch vielen negativen Kritiken zu hoffen wagen konnte. Atemberaubende futuristische Stadtlandschaften, Überzeugendes Roboterdesign, eine visuelle Orgie getragen und verstärkt durch die atmosphärisch dichte Musik Kenji Kawais. Da Lacht das Herz jeden Science Fiction Fans, der hier endlich nach langer Durststrecke wieder einmal einen gelungenen Vertreter des so genannten "(Neo-)Cyberpunks" in sich aufsaugen kann.
Der Film quillt über vor künstlerischen Verweisen und bedient sich ausgelassen aus der Schatzkiste des 20. Jahrhundert. So finden die erotischen Puppen des deutschen Künstlers Hans Bellmer (die Vorlage für die weiblichen "Sexaroiden") ebenso Eingang in das Werk, wie das Concierto de Aranjuez von Joaquin Rodrigo (Adaptiert im gelungenen Schlusssong "Follow Me").

Die nicht allzu ferne Zukunft. Die Cyborgisierung der Gesellschaft schreitet immer zügiger voran. Alle die es sich leisten können werten sich durch Gehirnkapazitätserweiterungen oder leistungsstarke Cyborgkörper auf, so dass nur noch das Gehirn als menschlicher Kern, als Behältnis der Seele und des Geistes übrig bleibt. Dadurch wird der Mensch aber auch immer abhängiger von der Technik und seine Realität lässt sich leicht durch Gehirnhacks deformieren.
Die eigentliche Handlung ist schnell erzählt. Einige Jahre nachdem Major Motoko verschwunden ist, jagt Sektion 9 immer noch nach Cyberterroristen und anderen die öffentliche Sicherheit gefährdenden Elementen. Batou, der seine alte Kollegin immer noch vermisst, ist mit seinem neuen Partner Togusa auf eine außergewöhnliche Mordserie angesetzt worden. Weibliche Androiden, ausgestattet mit delikaten Zusatzfunktionen, ermorden aus unbekannten Gründen ihre Besitzer. Als Täter kommen kriminelle Hacker oder die Yakuza in Frage. Da auch hochrangige Mitglieder aus Politik und Wirtschaft betroffen sind, erscheint auch ein terroristischer Hintergrund möglich. Doch schnell weisen die Ermittlungen in eine ganz andere unerwartete Richtung.

Neben der überragenden visuellen Strahlkraft bietet Innocence leider auch die altbekannten Schwächen des Regisseurs. Wieder einmal werden philosophische Fragen aufgeworfen, deren Antwort (wie im Anime üblich) der Film schuldig bleibt. Was macht den Menschen zum Menschen, worin unterscheidet er sich von Robotern und Puppen? Kann man in einer vernetzten digitalisierten Welt noch seinen Sinnen trauen? Was macht die Realität real? Statt hier der Kraft seiner Bilder zu vertrauen, packt Oshii leider den verbalen Holzhammer aus. Der Anime verliert sich zuweilen in einer Flut aus Zitaten. Von Descartes, Grimm bis Milton, der Dialog bleibt im Sumpf hochtrabender Phrasen stecken. Die Handlung droht somit zwischenzeitlich ins philosophische Nirwana abzuheben. Diese Eigenschaft (in abgeschwächterer Form) hatte ja auch schon Oshiis Ghost in the Shell, Patlabor 1 & 2 oder sein Realfilm Avalon.
Aber was soll ich sagen, das ist mir bei diesem visuellen Hochgenuss vollkommen egal. Ich lass mich von dem Sog der Bilder davontragen. Trotz Schwächen auf der Dialogebene beeindruckt mich der Film als visionäres Meisterwerk wie es sonst nur Science Fiction Klassiker wie Alien, Blade Runner und 2001-Odyssee im Weltall vermochten. Auf diese Filme beruft sich Oshii laut eigener Aussage (Interview auf der DVD) auch ganz offen. Oshii outet sich damit als ein vor allem visuelles Regietalent, das Bilder und Musik auf geschickte weise zu einem atmosphärischen Gesamtkunstwerk zu verweben weis. Dass seine Dialoge dagegen in arkadischen Sphären schweben, stört mich dabei nicht wirklich.

Ach und übrigens... Der Film ist nicht zuletzt ein Denkmal für den geliebten Haushund Oshiis (der mittlerweile verstorben ist). Selten ist einem Haustier eine solche Ehre zuteil geworden. Aufmerksame Beobachter kennen den Basset schon aus dem ersten Teil und dem Realfilm Avalon.

Freunde rasanter Actionanime ohne Tiefgang (z.B. Appleseed) finden hier sicher keine Weide um ihren Hunger zu stillen. Es gibt zwar durchaus einzelne Actionsequenzen, diese werden jedoch von ausufernden rein atmosphärisch wirkenden ruhigen Passagen umrahmt, nicht zu vergessen die schon erwähnten philosophischen Eskapaden. Das großartige dieses Animes liegt vor allem in der visuellen Kraft und atmosphärischen Dichte. Trotz seiner inhaltlich etwas sperrigen und beinahe publikumsfeindlichen Struktur ist "Ghost in the Shell 2" in meinen Augen deshalb dennoch ein Meisterwerk. Ein visuell wegweisender Meilenstein für den Anime, wie es vor 10 Jahren schon der erste Teil gewesen ist.

Frühling, Sommer, Herbst, Winter und... Frühling (9/10)


Das Rad des Lebens - eine filmische Meditation

Kim Ki-Duk hat sich mittlerweile fest als koreanischer "Arthouse-Regisseur" auf den europäischen Filmfestivals etabliert. Aufgrund erster Anerkennungserfolge wie "Seom - die Insel" und "Bad Guy", fand er deutsche Geldgeber die 2003 sein neuestes Filmprojekt unterstützten. Aus dieser Koproduktion entstand "Frühling, Sommer, Herbst, Winter und Frühling", eines meiner Lieblingswerke von Kim Ki-Duk. Eine filmische Meditation von unbestreitbarer Kraft.

Kim Ki-Duk ist anders als man aufgrund dieses Filmes denken könnte kein Buddhist. Trotzdem vermag er es den tief in der koreanischen Nation verwurzelten Buddhismus in beeindruckende Landschaftstableaus zu gießen. Dass seinem Sujet dabei nur ein vereinfachtes religiöse Abbild des Buddhismus zugrunde liegt, vermag nur den ernsthaft an der buddhistischen Lehre interessierten Sinnsucher irritieren. Das Thema des Films, der ewige Kreislauf des Lebens, die unaufhörliche Wiederkehr des Gleichen, erscheint wie ein Fluch der auf den Menschen lastet. Zur ewigen Wiederholung der immer gleichen Fehler verdammt kreist er im Lehrlauf. Doch wie vermag er aus diesem qualvollen Rad des Karmas heraus zu brechen? Der Film gibt hier (in meinen Augen) eine ganz einfache wenn auch pessimistische Antwort. Es gelingt ihm einfach gar nicht, denn es gibt kein entkommen aus dem Gefängnis aus Schuld und Sühne. Natürlich bietet diese fast kindlich naive und destruktive Sichtweise auf das Leben keinen tieferen Einblick in die Lehren des Buddhismus. Dieses Ziel verfolgt der Film auch gar nicht.

Der buddhistische Hintergrund bildet für mich als momentan eher atheistisch eingestellten Zeitgenossen (ich weiß das hört sich für einen spirituellen Menschen sicher ignorant an) nur eine interessante philosophische Kulisse.
Als ich den Film das erste Mal sah, überwältigte mich die Magie der Bilder. Und ich verirrte mich in den koreanischen Wäldern, im Wandel der Jahreszeiten, im ruhigen Spiegel des Sees, im erstickenden Weiß des Schnees. Und darin fast verloren der alte Mönch und sein Schüler, Gefangene des Leids selbst hier abseits der unmenschlichen Hektik der Zivilisation.
Im Zusammenspiel mit der Musik von Bark Ji-Woong entsteht eine fast magische Atmosphäre, eine Meditation über das Leben bei der allzu viel nachdenken eher schadet als nützt.

Das hier dargestellte Weltbild ist alles andere als sanft und friedlich. Tiere werden gequält, die Menschen fügen sich Leid zu, unfähig dem Schmerz zu entgehen.
Der junge Schüler lebt den Wandel der Jahreszeiten, wächst heran. Doch schließlich verfällt er allzumenschlichen Leidenschaften, verlässt die scheinbar so beschauliche Abgeschiedenheit des Sees. Viel später kommt er zurück, ein von inneren Dämonen gehetzter zerrissener Charakter, der für seine Taten Buße sucht. Als er wiederum Jahre darauf geläutert aus dem Gefängnis heimkehrt ist der Meister fort und er nimmt den Platz seines alten Lehrers ein. Doch damit steht das Rad des Karmas noch nicht still, ein neuer Frühling bricht sich Bahn, das Schicksal dreht sich von neuem. Und über allem schwebt die den Atem raubende unendliche Gleichgültigkeit der Natur.

Auf formaler Ebene ist dies sicherlich Kim Ki-Duks bisher bester Film.
Das rohere ungeschliffenere Frühwerk des Regisseurs lässt er hier endgültig hinter sich und schwingt sich in artifizielle Höhen auf. Nicht jeder Fan des koreanischen Regisseurs vermag hier noch zu folgen und viele werden sich durch diesen Film abgeschreckt endgültig von dem in künstlerisch aufgeladenen Bildern schwelgenden Kim Ki-Duk abwenden.

"Frühling, Sommer, Herbst, Winter und Frühling" ist Kim Ki-Duks bisher formal reifstes Werk. Der Wandel der Jahreszeiten als Sinnbild der sich ewig wiederholenden Lebensabschnitte des Menschen prägt den Film. Durch die Kombination mit der Musik von Bark Ji-Woong entsteht so ein meditativer Traum dieser so schmerzhaft schönen Welt.
Dies ist sicher kein Film für Freunde des asiatischen Actionfilms, sondern eher für Bilder trinkende Cineasten. Mit "Samaria" und "Bin Jip" konnte Kim Ki-Duk dieses filmische Niveau noch zweimal bestätigen. Ob er dieses Meisterwerk aber noch zu übertreffen vermag bleibt abzuwarten. Nach seinem Film "Hwal" (Bogen) aus dem Jahr 2005, kann dies zumindest bezweifelt werden. Kim Ki-Duk scheint sich nun selbst im Leerlauf zu drehen.